Der Makedonier
nicht einen Bürgerkrieg bedeutet hätte. Jeder wußte, daß dieser Mann aus dem Tiefland der einzige war, der sie vor dem Chaos bewahren konnte.
Als der Hund zerteilt und sein Blut verspritzt worden war, führte Philipp die Angehörigen der Armee, jetzt seine Untertanen, zum Tempelbezirk, um dort die Waffen zu läutern und im Schrein des Zeus zu opfern. Wie es der Brauch war, betrat er das Heiligtum allein, und als erster Priester der Elimioten übergab er dem Altarfeuer alsOpfergabe den Schenkelknochen eines Ochsen, der in das Fett des Tieres gewickelt war. Das Feuer loderte in die Höhe, was als gutes Zeichen betrachtet wurde.
Nach der Zeremonie erwartete ihn vor dem Tempel fast die ganze Bevölkerung der Stadt. Ihre Jubelschreie klangen in seinen Ohren, und er hob zum traditionellen Zeichen des Grußes seinen Speer.
Wirst du ein König sein, Philipp? Mein Großvater hat gesagt, daß ich eines Tages die Braut eines großen Königs sein werde.
Die kleine Audata, die auf dem Steinrand einer Zisterne saß, die Arme um die Knie geschlungen, und ihn fragte, ob er ihre Bestimmung sei. Warum erinnerte er sich gerade jetzt daran? Wie lange das schon her zu sein schien.
»Ja«, flüsterte er bei sich, während er dem Jubel der Menschen lauschte, die vor wenigen Monaten noch seine Feinde gewesen waren und jetzt ihr Schicksal in seine Hände gelegt hatten. »Ja, jetzt bin ich ein König. Aber für uns ist es zu spät.«
Er hätte nicht erklären können, warum er sich in diesem Augenblick des Triumphs traurig fühlte.
Später am Tag wurde gefeiert, und es gab Spiele. Die Elimioten und Philipps Soldaten wetteiferten als Gleichberechtigte und teilten die Preise unter sich auf. Diesmal nahm Philipp, entgegen seinen Grundsätzen, am Pferderennen teil und gewann.
Am Tag darauf wurde heimlich und leise die Habe der Prinzessin Phila auf ein königliches Landgut gebracht, das etwa eine Stunde außerhalb der Stadt lag. Als König fühlte Philipp sich verpflichtet, im Palast zu wohnen, und sie mußte ihn deshalb aus Gründen der Schicklichkeit verlassen. Sie würde auf dem Gut bleiben, bis sie als Braut zurückkehrte.
Sie hatten vereinbart, die Hochzeit im Monat des Peritios abzuhalten, einer Zeit der Versöhnung. So mußte Philipp zwar bis zum Winter warten, aber ihm machtediese Verzögerung nichts aus. Er wollte sich erst als König etablieren, bevor er eine Frau aus dem alten Herrschergeschlecht zur Gattin nahm. Er wollte nicht den Eindruck erwecken, er versuche, seinen Anspruch auf den Thron zu rechtfertigen.
Mit der Krone waren auch der Thronschatz und alle königlichen Güter in seinen Besitz übergegangen. Vor dem Gesetz gehörte Phila nichts mehr. Sogar ihr Leben lag in Philipps Hand. Wenn er gewollt hätte, hätte er sie als Sklavin verkaufen können.
Aber es hätte sie beschämt, so mittellos in die Ehe zu kommen, und deshalb überschrieb er ihr das Gut, das sie jetzt bewohnte, und schenkte ihr zusätzlich dreißigtausend Athener Drachmen, um sie mit einer Mitgift auszustatten.
Bis zur Verlobungszeremonie wenige Tage vor der Hochzeit würden sie sich nur selten sehen. Es wäre nicht schicklich, wenn bekannt würde, daß sie sich regelmäßig trafen, auch wenn ein einstündiger Ritt nicht gerade eine Weltreise war.
Andererseits war Philipp so beschäftigt, daß ihm für Gedanken an Phila kaum Zeit blieb. Die Erweiterung der königlichen Kasernen kam schnell voran, und Philipp, der genug über das Zimmerer- und Steinmetzhand- ; werk Bescheid wußte, um sich ernsthaft für die Arbeiten zu interessieren, war jeden Tag auf der Baustelle, manchmal sogar mehrere Stunden. Die Elimioten wunderten sich, warum ein König Steine auf seinem Rücken schleppte oder sich mit seinen Ratgebern besprach, während er Balken behaute, aber es mißfiel ihnen nicht. Männer sind selten enttäuscht, wenn sie merken, daß ihr Herrscher sich um alles kümmert, was sie angeht, und Philipp, das zeigte sich bald, gab sich Mühe, ein guter König zu sein.
Glaukon übernahm die Aufsicht über den königlichen Haushalt, und diente damit seinem Ziehsohn, wie er un d seine Vorväter seit Generationen schon den Königen Makedoniens gedient hatten. Wenn Philipp nicht seine Edelleute bewirtete und es auch sonst keinen Anlaß für ein Festmahl gab, ging er in die Wohnung des alten Mannes, und die beiden aßen aus einem gemeinsamenTopf.
Den Großteil seiner Zeit widmete Philipp der Umgestaltung seiner Armee. Er drillte seine Männer und schonte
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