Der Makedonier
der Tür, während alle anderen seinen Ruf aufnahmen.
So erfuhr das Volk von Elimeia, daß der König sich eine Gemahlin nehmen wollte. Drei Tage später war Vollmond. In ihren Gemächern widmete Phila, wie es das Ritual verlangte, ihre Kinderspielzeuge der Göttin Artemis und stieg dann, verschleiert wie schon bei der Verlobung, die große Treppe hinunter, wo eine viel größere Gesellschaft sich versammelt hatte, um ihre Heirat mit dem Prinzen Philipp mitzuerleben. Gebete wurden gesprochen, wobei der König selbst die Aufgaben des Priesters übernahm, und auf dem Hausaltar wurden ein Lamm und eine Locke vom Haar der Braut geopfert. Danach gab es ein üppiges und ausgelassenes Festmahl. Da die Frauen in einem anderen Raum speisten, sah Phila ihren Gemahl erst wieder, als verkündet wurde, daß der Hochzeitswagen vor der Tür warte. Philipp erwartete sie in der Eingangshalle. Er lächelte ein wenig nervös und streckte ihr die Hand hin. Als das Tor geöffnet wurde, sah man, daß es geschneit hatte und die Straße bereits eine Spanne hoch bedeckt war. Man betrachtete das als gutes Vorzeichen. Während sie in den Wagen stiegen, der von zwei Schimmelstuten gezogen wurde, umringten die Gäste sie und begannen, alle mit Fackeln in der Hand, das Hochzeitslied zu singen. Dann gingen sie singend, ihre Fackeln leuchtend wie Sterne in der kalten Nachtluft, neben dem Wagen her bis zum Palast, wo eine Menge Schaulustiger sie bereits erwartete.
Ein Kämmerer brachte ein silbernes Tablett mit einer einzelnen Quitte darauf, dem Symbol der Fruchtbarkeit. Phila nahm die Frucht, hob ihren Schleier und aß sie. Danach brachen die Gäste in lautes Jubelgeschrei aus, und Philipp bückte sich und umfaßte seine Braut bei den Schenkeln. Er hob sie hoch und trug sie über die Schwelle.
Die Gäste hörten nicht auf zu singen, bis das Paar das Hochzeitszimmer erreicht hatte, das mit Blumen geschmückt und mit Hyazinthenöl besprengt war. Die Tür schloß sich, und die beiden standen allein in dem großen Zimmer. Keiner rührte sich oder sagte etwas, bis das Lachen der Gäste verklungen war.
»Das war das Zimmer meines Vaters«, sagte sie, ohne recht zu wissen, warum, und als sie den Ausdruck sah, der über das Gesicht ihres Gemahls huschte, fügte sie hinzu: »Ich habe ihn geliebt. Ich bin froh, daß du dieses Zimmer ausgesucht hast.«
»Ich habe mich für dieses entschieden, weil es mir als das schönste erschien.« Philipp sah sich um, als hätte er es noch nie zuvor gesehen. »Vielleicht hätte ich einen der alten Diener um Rat fragen sollen.«
»Nein, du hast eine gute Wahl getroffen.«
Das stimmte. Vielleicht hätte sie anders reagiert, wenn die Heirat sie nicht nur zu einem fremden Mann, sondern auch in ein fremdes Haus geführt hätte, aber in diesem Zimmer fühlte sie sich sicher. Alle Gefühle, die es hervorrief, waren vertraut. So hatte sie wenigstens nur eine neue Erfahrung vor sich.
Das gab ihr den Mut, Philipps Hand zu nehmen, und dies ermutigte auch ihn. Nach einem Augenblick des Zögerns hob er mit einer sanften Bewegung, als würde er eine Spinnwebe beiseite wischen, den Schleier von ihrem Gesicht.
»Alles ist gutgegangen«, sagte er mit einem Lächeln. Überrascht, aber auch ein wenig triumphierend erkannte Phila, daß auch ihr Gemahl Angst hatte. »Ich glaube, es hat allen gefallen. Mir hat es ganz sicher gefallen.«
Obwohl ihr nicht bewußt war, daß einer von ihnen sich bewegt hatte, standen sie plötzlich nicht mehr neben-, sondern voreinander. Philipp berührte ihre Wange und legte dann langsam, wie allein um des Vergnügens willen, ihre Haare unter seinen Fingern zu spüren, die andere Hand um ihren Nacken. Jetzt waren sie sich ganz nahe. Fast sah es so aus, als wollte er sie um Erlaubnis bitten. Sie hob den Kopf und schloß halb die Augen.
Kein Mensch, nicht einmal ihr Vater, hatte sie je auf die Lippen geküßt. Die Weichheit seiner Lippen, das Rauh-Kitzelnde seines Barts – sie spürte es als getrennte Empfindungen, die jedoch beide untergingen im heftigen Klopfen ihres Herzens, das wie Angst war und doch wieder nicht.
Sie hatte keine Angst. Was jetzt auch passieren mochte, sie würde nicht widerstehen. Es würde ihr willkommen sein.
Ihre Hochzeitstunika hatte einen weiten Halsausschnitt, der die Schultern freiließ. Ihre alte Amme hatte sie für Phila genäht; schon vor Monaten hatte sie damit angefangen, gleich nach Philipps Antrag.
»Darin komme ich mir ja fast unanständig vor«, hatte sie gesagt,
Weitere Kostenlose Bücher