Der Makedonier
muß. Ich habe drei oder vier in meinem Haushalt, die das recht gut können. Wenn du soweit bist, laß es mich wissen, und ich schenke dir die, die dir am besten gefällt.«
Es war ein freundlich gemeintes Angebot, und da sie beide schon ein wenig betrunken gewesen waren, hatte Philipp ihm überschwenglich gedankt, ihn einen guten Freund genannt und ihm auf den Rücken geklopft, bis ihm fast die Luft wegblieb. Aber jetzt, nach den ersten Tagen seiner Ehe, konnte er sich nicht vorstellen, daß er Lachios’ Sklavenmädchen besuchte und sich eine aussuchte.
Phila war weder stolz noch kalt. Beinahe dankbar empfing sie ihn in ihrem Bett, und obwohl sie nichts über den Verkehr zwischen Männern und Frauen zu wissen schien, war sie eine gelehrige Schülerin und mehr als bereit, ihm Freude zu bereiten.
Madzos, die zu sagen pflegte, daß ein Schenkenmädchen in Theben im Laufe ihres Lebens mehr über die Sinnlichkeit lernt als alle Huren Korinths, hätte wohl gelacht, wenn sie erfahren hätte, daß ein Teil ihres Wissens in diesen Dingen nun von der sechzehnjährigen Gemahlin Philipps hungrig aufgesogen wurde.
Diese Leidenschaft war anders als alle, die Philipp bisher kennengelernt hatte. Bei Arsinoe, in ihrer einzigen gemeinsamen Nacht, war seine Angst fast so stark gewesen wie seine Begierde – Angst vor diesem unbekanntenund doch so verlockenden Ding, dem Körper der Geliebten. Wenn sie die Gelegenheit gehabt hätten, sich ein wenig näher kennenzulernen, wäre das vielleicht anders geworden, aber so war Philipp ihr kurzes Zusammensein als eine Erfahrung von schier übermenschlicher Eindringlichkeit im Gedächtnis geblieben, als ein Augenblick, den man nicht wiederholen konnte. Als ein Augenblick, von dem er gar nicht wußte, ob er ihn wiederholen wollte.
Bei allen anderen Frauen seitdem, bei den Huren von Theben und Athen und sogar bei Madzos, war es die reine körperliche Lust gewesen, die vielleicht der geschäftsmäßigste aller Triebe ist, die den Menschen befallen. Es ist wie Sichbetrinken, nur daß man es mit einer gewissen kalten Losgelöstheit genießt. Madzos hatte, obwohl sie so lange miteinander geschlafen hatten, nicht einmal geweint, als er sie verlassen mußte. Und er hatte sich seitdem keinen Augenblick lang nach ihr gesehnt. Es war einfach vorbei, und das Fleisch hat kein Gedächtnis.
Aber bei Phila war es mehr als nur die Lust des Fleisches, und gleichzeitig war es ein so entspanntes und ungetrübtes Vergnügen wie ein gutes Essen. Es hatte auch etwas von dem sanften, selbstvergessenen Glück, das man in der Gesellschaft kleiner Kinder empfindet, eine Ahnung der ursprünglichen Güte und Unschuld dieser Welt. Es war das Vergnügen, Vergnügen zu bereiten. Es war eine Flucht aus der Tyrannei des Ichs.
»Ist es für einen Mann anders?« fragte sie ihn einesNachts.
»Die Dichter berichten von Tiresias, der eine Zeitlang den Körper einer Frau bewohnt hatte, daß er, als er von Zeus und Hera gefragt wurde, welches der Geschlechter bei der Liebe die größere Lust empfinde, sich für die Frauen aussprach. Ich bin nicht in der Lage, sein Urteil zu bestätigen, aber ich befürchte, er hat sich nicht sehr getäuscht.«
Phila errötete, als sie das hörte. Auch in dem trüben,flackernden Licht der einzigen Öllampe neben dem Bett konnte er sehen, daß ihre Wangen glühten – fast so wie in den Augenblicken höchster Leidenschaft. Philipp merkte, daß der Anblick ihn erregte, und er vergrub sein Gesicht zwischen ihren Brüsten.
»Ich glaube, für einen Mann ist es heftiger«, sagte sie nach einer Weile, während er ihre Brustwarze küßte. »Es sieht fast aus wie Schmerz.«
»Manchmal ist es das auch.«
Doch was Philipps Leben ausfüllte, war nicht diese Ehe. So glücklich sie ihn machte, war sie doch nur ein Ruheplatz, ein Zufluchtsort am Ende des Tages. Was seine Gedanken beschäftigte und Vorrang in seinem Herzen hatte, war seine Pflicht als König. Allmählich wurde ihm bewußt, daß er nur dazu geboren war.
Diese Aufgabe verlangte seine ganze Aufmerksamkeit, denn jeder Herrscherwechsel erregt die Gier anderer. Wenn ein König abgesetzt oder getötet wird, warten die Nachbarstaaten, wie Wölfe, die ein Hirschrudel verfolgen und den Schwachen und den Nachzüglern auflauern, auf Anzeichen des Chaos und der Zersplitterung. Sie hoffen, eine Schwäche ausnützen zu können, einen Vorteil erlangen oder einfach nur plündern zu können. So war es, als das Schicksal Ptolemaios stürzte – damals
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