Der Makedonier
übergangen, aber er war volljährig, ein bewährter Krieger und bei der Armee sehr beliebt. Außerdem hatte sein Vater ihn zum Erben ernannt. Seine Wahl war gesichert.
Perdikkas’ Aufmerksamkeit schien auf die Wipfel der Platanen gerichtet, die die Außenmauer des Amphitheaters säumten. Die obersten Äste bewegten sich schwach in einer Brise, die auf dem Boden nicht spürbar war, und Perdikkas sah mürrisch zu ihnen hinauf, als betrachtete er das Spiel des Windes als persönliche Beleidigung.
»Die lassen sich lange Zeit«, sagte er schließlich. »Vielleicht wollen sie Alexandros doch nicht zum König machen.«
An seinem Gesicht war nicht zu erkennen, ob ihm dieser Gedanke Freude machte oder nicht. Die Art, wie er an seinem dünnen Bart zupfte, deutete daraufhin, daß er es selbst nicht so genau wußte.
Philipp starrte auf seine Sandalen hinunter, als wäre ihm die Situation peinlich.
»Sie müssen zuerst das Opfer darbringen und beten, damit die Götter mit Wohlgefallen auf ihre Entscheidung herabblicken. Hab Geduld.«
Wie zur Antwort stieg plötzlich ein lauter Schrei aus dem Amphitheater hoch, gefolgt von einem immer lauter werdenden, durchdringenden Geräusch: dem Klirren von Schwertern auf Brustpanzern, mit dem die Makedonier unter Waffen die Treue zu ihrem neuen König bekundeten.
»Siehst du?« Philipp grinste breit, als hätte er eben einen Sieg davongetragen. »Sie haben ihre Wahl getroffen.«
»Ja, sie haben ihre Wahl getroffen.« Es war das erste Mal, daß Arrhidaios sein Schweigen brach.
»Du darfst dir das nicht zu Herzen nehmen.« Perdikkas betrachtete ihn mit einem schlauen Lächeln. »Das bedeutet doch nur, daß du und deine Brüder jetzt zu einer Seitenlinie des Geschlechts gehören. Oder hast du vielleicht den Ehrgeiz gehabt, selbst König zu werden?«
»Es ist zu hoffen, daß keiner von uns einen solchen Ehrgeiz hegt«, antwortete Philipp, bevor Arrhidaios es konnte. »Wir müssen beten, daß Alexandros eine lange Herrschaft gewährt wird und daß er viele Söhne zeugt. Denn dann werden die Makedonier frei sein, um ihre Feinde zu bekämpfen, anstatt sich untereinander zu bekriegen.«
Perdikkas und Arrhidaios sahen ihn an, als hätte er gesprochen wie ein Narr, und auch Philipp selbst war sich nicht ganz sicher, ob sie damit nicht vielleicht sogar recht hatten.
Doch dieser Zweifel verschwand so schnell, wie er gekommen war, als ein Mann in voller Rüstung aus dem Tor des Amphitheaters trat und einige Schritte auf die wartende Menge zukam. Er hatte eine Axt in der rechten Hand und führte an einer Leine in der linken einen Hund. Die Menge verstummte.
Vielleicht war es diese plötzliche Stille, die den Hund Gefahr wittern ließ. Er fing an zu bellen, aus dem Bellen wurde allmählich ein verängstigtes Winseln, und zum erstenmal wehrte er sich nun gegen die Leine, die ihn hielt. Es war ein alter Hund, steif in seinen Bewegungen, und graue Haare sprenkelten das fleckige braune Fell an seiner Schnauze. Seine Angst hatte etwas Mitleiderregendes.
Der Soldat war sehr tüchtig. Er zog den Hund zu sichheran, bis er ihn bei seinem Strickhalsband packen konnte, ging dann in die Knie und schlug ihm in einer flinken Bewegung mit der Breitseite seiner Axt auf den Schädel. Der Hund war nur betäubt, aber er wehrte sich nicht mehr. Er winselte nicht einmal, als der Soldat ihn am Rand des Weges, der vom Amphitheater herunterführte, auf einen flachen Stein legte, ihm die Sandale auf den Hals drückte und die Axt ein zweites Mal hob.
Dieser Schlag war tödlich, denn er traf den Hund knapp unterhalb des Brustkorbs und durchtrennte ihm das Rückgrat.
Der Soldat brauchte nur wenige Sekunden, um den Kadaver in zwei Teile zu zerhacken. Danach wischte er seine Axt im Gras ab und stand auf, das Hinterteil des Hundes in der linken Hand. In hohem Bogen warf er es auf die andere Seite des Weges – es zog dabei eine dünne Blutspur durch die Luft –, und verschwand dann wieder im Amphitheater. Dieses grausige Ritual, das zurückreichte bis zur Gründung des Staates, verkündete die Wahl des neuen Königs von Makedonien.
Einen Augenblick später zeigte sich Alexandros. Er trug einen Brustpanzer, und an seinem Gürtel hing ein Schwert, aber sein hübscher Kopf war unbedeckt. Bei seinem Anblick brach die wartende Menge in Jubel aus, doch er beachtete ihr Schreien nicht. Er sah sich nur mit seinen kalten blauen Augen um, als wartete er darauf, daß der Tumult sich lege.
Zuerst stand er allein in dem
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