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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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sein Gesicht auf unerklärliche Weise.
    Nikomachos beugte sich über den König und berührte seinen Hals. »Er ist tot«, flüsterte er, doch es klang wie das lauteste Geräusch auf der Welt. »Was hat er gesagt, Prinz?«
    Philipp hob den Kopf, und in seinen Augen glitzerten nicht geweinte Tränen.
    »Nichts.«

3
     
     
    IN DER STILLEN Dunkelheit einer Stadt, die ihren König verloren hatte, kehrte Philipp nach Hause zurück. Er war neben dem Bett knien geblieben und hatte seinem Vater noch die Hand gehalten, als Nikomachos dem dritten Amyntas bereits die Augen schloß. Dann hatten geflüsterte Unterhaltungen eingesetzt, während den Argeaden allmählich die furchtbare Wirklichkeit des Todes bewußt wurde.
    Plötzlich spürte Philipp das Gewicht einer Hand auf seiner Schulter.
    »Laß los«, sagte Alexandros und schüttelte ihn grob. »Laß seine Hand los, bevor die Finger starr werden. Es ist Zeit für dich, nach Hause zu gehen.«
    Er sah seinen jüngsten Bruder an, als wäre die Leiche seines Vaters sein persönlicher Besitz.
    »Spar dir die Tränen für die Bestattung auf.«
    Inzwischen wuschen Haussklaven den Leib des Toten und bereiteten ihn auf das läuternde Feuer vor. Amyntas, der Herrscher der Makedonier, gehörte bereits der Vergangenheit an.
    Es war ungewöhnlich still. Auf seinem Rückweg zu Glaukons Haus sah Philipp keine lebende Seele. Der Palastbezirk war dunkel und verlassen, als würde jeder sich verstecken – als hätte das taube Gefühl in seiner Brust sich über das ganze Viertel ausgebreitet.
    Er verstand sich selbst nicht mehr. Solange der König gelebt hatte, war er ein Fremder für ihn gewesen, und doch hatte er ihn, beinahe in seinem letzten Atemzug, »mein Sohn« genannt, was sein Herz zum Erzittern brachte wie eine Glocke, die nach Jahren des Schweigens zum erstenmal angeschlagen wurde. War die Liebe eines Sohnes so leicht verfügbar, daß dieser Mann in ihn greifen und sie mit vollen Händen schöpfen konnte, jetzt, da es zu spät war für sie beide? War das Kummer, dieses Gefühl, ausgeraubt worden zu sein? Wenn es Kummer war, dann hatte Philipp nur Verachtung dafür übrig. Was er sonst noch fühlte, wußte er nicht.
    Alkmene war noch wach. Sie saß auf einem Hocker neben dem Herd, die Hände im Schoß. Das Feuer war noch stark genug, um den Kochtopf warm zu halten.
    »Hast du Hunger?« fragte sie und sah ihn mit ihren flehenden blauen Augen an. Aus demselben Topf hatte sie ihm vor kaum vier Stunden zu essen gegeben, doch für Alkmene war Essen ein Allheilmittel gegen alle Krankheiten, ob des Körpers oder der Seele.
    Philipp schüttelte den Kopf. Er wußte zwar nicht warum, aber in diesem Augenblick fehlte ihm das Selbstvertrauen, um zu sprechen.
    »Dann trink etwas Wein, mein Gebieter.«
    Doch er kniete sich nur neben sie und legte den Kopf in ihren Schoß. Unvermittelt hatte der Schmerz ihn überwältigt, ohne daß er einen Grund dafür hätte angeben können. Tränen stiegen ihm in die Augen, ein Schluchzen brach aus ihm heraus. Alkmene legte ihm den Arm auf die Schulter und strich ihm über die Haare.
    »Ich weiß, ich weiß«, flüsterte sie, und ihre Stimme war wie eine Liebkosung. »Ich weiß, mein kleiner Prinz, wie bitter es ist, diese Erfahrung schon in so jungen Jahren machen zu müssen.«
     
    Bei Sonnenaufgang wußte jeder in Pella von Amyntas’ Tod, und zur Mittagszeit hatten sich alle Männer unter Waffen in dem kleinen Amphitheater auf einem Hügel etwas außerhalb der Stadt versammelt, um einen Nachfolger zu wählen. Sogar Glaukon, der noch nie gekämpft hatte, trug einen Brustpanzer und ein Schwert, denn das waren die Embleme der Bürgerschaft. Jeder Makedonier war Soldat, ob er nun diente oder nicht, und die Armee wählte den König.
    Philipp, Perdikkas und Arrhidaios waren noch zu jung, um an der Wahl teilzunehmen, und sie warteten deshalb, zusammen mit Frauen, Kindern und Fremden, am Fuß des Hügels. Es lag jedoch keine Spannung in diesem Warten, da jeder wußte, wie die Entscheidung ausfallen mußte. Der Überlieferung nach konnte das Volk nur wachsen und gedeihen, wenn es von einem Nachfahren des Herakles regiert wurde, und so durfte allein das Haus der Argeaden den König stellen. Alexandros war der älteste Sohn und litt unter keinem Gebrechen, das ihn entweder für das Amt untauglich oder zu einer Beleidigung für die Götter gemacht hätte. Wäre er minderjährig gewesen wie seine Brüder, hätte man einen Regenten ernannt oder ihn vielleicht sogar

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