Der Makedonier
kleinen Schar junger Männer, die seit der Kindheit seine Freunde gewesen waren und die nun alle hofften, unter seiner Herrschaft zu Amt und Würden zu kommen. Alexandros sah gut aus, er war begabt und tapfer, aber noch hatte die Erfahrung ihm nicht die Flügel gestutzt, und sein Selbstvertrauen war so ausgeprägt, daß er glaubte, sie würde es nie tun. Bei seinem Anblick wurde Eurydike das Herz schwer, denn sie konnte sich nicht zu dem Glauben durchringen, daß die Götter ihm ein langes Leben gewähren würden.
Etwas abseits, bei Glaukon, Nikomachos und seinem jungen Sohn Aristoteles, dessen große Klugheit alle rühmten, stand Philipp. Es war so typisch für Philipp, daß er sich mit Männern niederer Geburt abgab, Männern, die kaum besser waren als Sklaven. Die Gesellschaft seiner Standesgenossen schien er geringzuschätzen und nur jene zu achten, die außergewöhnlich klug oder begabt waren oder sich durch besondere Fähigkeiten auszeichneten. Man konnte sich nur schwer vorstellen, daß das Blut von Königen in seinen Adern floß.
Und doch wurde sie das Gefühl nicht los, daß von all ihren Söhnen Philipp Amyntas am ähnlichsten war.
Eurydike haßte ihr jüngstes Kind, haßte Philipp aus dem einzigen Grund, weil sie, während er in ihrem Schoß heranwuchs, seinen Vater hassen gelernt hatte.
Seit Menschengedenken hatten die Bakchiaden in Lynkestis als eigenständige Könige regiert. Die Argeaden nahmen zwar die Herrschaft über ganz Makedonien für sich in Anspruch, doch das war nicht schon seit den Tagen des ersten Alexandros so gewesen, denn die Lynkestis hatten Kriege geführt und Verträge geschlossen, manchmal auch mit den Feinden der Argeaden, ganz wie es ihnen beliebte. So kam es, daß König Arrhabaios unter den Frauen des Königshauses von IIlyrien eine neue Braut für seinen Sohn und Erben Sirrhas suchte, der kurz zuvor erst seine Frau, die Mutter seines Sohnes, verloren hatte. Diese Frau kam mit zwei totgeborenen Söhnen nieder und starb dann selbst nach der Geburt einer Tochter, die Eurydike genannt wurde.
Und Arrhabaios hatte, als er der Schwäche der Argeaden gewahr wurde, Amyntas gezwungen, seine Enkelin zur Frau zu nehmen, damit eines Tages sein Blut in den Adern der Herrscher von Makedonien flösse. So fand Eurydike sich mit fünfzehn Jahren als Braut an einem fremden Hof wieder, umgeben von Menschen, die sie als Feinde und Unterdrücker zu betrachten gelernt hatte.
Aber sie hatte sich gefügt. Sie hatte Amyntas einen Sohn geboren, dann eine Tochter, dann einen zweiten Sohn, und der König, ihr Gebieter, hatte sie mit freundlicher Gleichgültigkeit behandelt. Ihre Ehe war so wie die vieler Königspaare gewesen, eine Standespflicht, die von beiden Seiten so verstanden wurde und deshalb erträglich war.
Dann allerdings hatte ihr Vater Sirrhas, der inzwischen auf den Thron gekommen war und seit langem davon träumte, die Tyrannei der Argeaden abzuwerfen, sich auf die Seite seines Schwiegervaters, des Königs Bardylis von Illyrien, geschlagen. Es gab Krieg, und Amyntas war gezwungen, Land abzutreten und die Unabhängigkeit derLynkestis, wenn schon nicht offiziell anzuerkennen, so doch wenigstens zu dulden.
Für diese Schmach rächte er sich an seiner Frau. Seine Wut war so groß, daß er sie getötet hätte, wenn er es gewagt hätte, aber er tat es nicht. Statt dessen regte sich die Lust des Greises in ihm, und er benutzte sie wie eine Hure, obwohl sie noch geschwächt war von der Geburt ihres zweiten Sohnes. Vielleicht hatte er sie auf diese Art töten wollen, denn dann hätte man ihm nichts vorwerfen können. Wie sie gelernt hatte, sein Gewicht auf ihrem Bauch zu hassen! Und welches Vergnügen es ihm bereitet hatte, sie zu erniedrigen und auch noch den unaussprechlichsten seiner Begierden zu frönen! Was er alles mit ihr getan hatte und sie hatte tun lassen… Auch nach all den Jahren noch liefen ihr Schauer des Entsetzens über den Rücken, wenn sie daran dachte.
Schließlich zeigte sich, daß sie noch einmal schwanger geworden war. Von da an rührte Amyntas sie nicht mehr an.
Und für all das mußte Philipp büßen. Sie wäre bei seiner Geburt fast gestorben, und man hatte ihn in die Obhut anderer gegeben, so daß er der Sohn einer anderen Frau und für die Mutter, die ihm das Leben geschenkt hatte, beinahe ein Fremder wurde. Vielleicht, wenn das nicht so gewesen wäre, wenn sie ihn an ihrem Busen hätte nähren dürfen… Aber ihre Milch war versiegt und damit die letzte Chance
Weitere Kostenlose Bücher