Der Makedonier
griffen fünf oder sechs Handpaare nach seinem Reiter und zerrten ihn zu Boden – der Mann war tot, bevor er schreien konnte. Und so ging es weiter.
In einer Viertelstunde war alles vorüber. Die erste Angriffswelle war verebbt, eine zweite würde es nicht geben. Makedonische Reiterei wütete in den Reihen der Paionier, von denen die meisten erkannt hatten, wie die Schlacht stand, und geflohen waren. Philipp stand da und sah bestürzt zu, wie der Kampf sich in eine Reihe sinnloser Kleingefechte aufsplitterte.
»Bringt mir mein Pferd«, sagte er schließlich.
Er ritt über das Schlachtfeld, ließ sich von seinen Truppenführern berichten und versuchte, seinen Sieg zu bewerten. Dabei überlegte er sich bereits, wie er ihn am besten ausnutzen konnte.
»Lyppeios ist geflohen«, sagte ihm einer. »Von mehreren Gefangenen haben wir erfahren, daß er das Schlachtfeld bereits verließ, als unsere Fußsoldaten seine Linien durchbrachen. Unsere Verfolger sind dicht hinter ihm, aber fürs erste ist er entkommen. Er hat die Hälfte seiner Armee verloren, die Männer sind entweder tot oder unsere Gefangenen.«
»Er hätte mehr retten können, wenn er geblieben wäre. Und der Rest wird wenig Lust zeigen, noch einmal für ihn zu kämpfen.«
Philipp schüttelte angewidert den Kopf. Er überlegte sich, wie es für Lyppeios wohl sein würde, wenn er den Männern, die er im Stich gelassen hatte, gegenübertreten mußte. Da wäre es besser, auf dem Schlachtfeld zuliegen, zwar als stinkender Kadaver, aber in Ehren gefallen.
Trotzdem würde es notwendig sein, mit diesem Mann zu einer Verständigung zu kommen.
»Haben wir irgendwelche Edelleute unter den Gefangenen? Oder sind sie alle weggelaufen?«
»Ein paar vielleicht«, antwortete Korous, als er sich über das Gelächter hinweg verständlich machen konnte. »Wir hatten noch keine Zeit, sie uns genauer anzusehen.«
»Dann sucht einen.«
Lyppeios’ Vetter schien etwas mehr Rückgrat zu haben, denn er hatte sich weder ergeben, noch war er weggelaufen. Ein Sturz vom Pferd hatte ihm kurzfristig die Besinnung geraubt, doch dann hätte er den Soldaten beinahe getötet, der ihm, weil er ihn für tot hielt, die Rüstung rauben wollte. Erst ein kräftiger Schlag auf den Kopf hatte ihn bändigen können. Aber die tapfersten Männer sind nicht notwendig auch die klügsten, und dieser hier schien anzunehmen, daß seine Ermordung Teil der Siegesfeier des Königs von Makedonien sein würde – die Paionier waren berüchtigt für ihre Grausamkeit Gefangenen gegenüber –, denn als er vor Philipp geführt wurde, mäßigte er sich nicht, sondern überhäufte ihn mit wüsten Flüchen und Verwünschungen. Philipp aber lächelte nur, wie man auf ein ungezogenes Kind herablächelt, und bot ihm einen Schale Wein an.
»Und du bist Prinz Dekios?« fragte er ihn, zum Zeichen, daß er den Rang seines Gesprächspartners achtete. »Der zweite Sohn der Aletheia, der Schwester des Vaters des Königs?«
Dekios, ein etwa zwanzigjähriger, in seiner grimmigen Art gutaussehender Mann mit einem Nacken wie ein Stier, sah sein Gegenüber nur an, als versuchte er sich daran zu erinnern, wo er ihn schon einmal gesehen hatte.
»Du bist unbewaffnet«, sagte er schließlich. »Ich könnte dich mit einem einzigen Schlag töten – was sollte mich davon abhalten?«
»Nichts, außer daß es dir vielleicht nicht gelingt. Ich bin nicht ganz so harmlos, wie ich aussehe. Außerdem würden meine Wachen schon beim ersten Geräusch hereingestürzt kommen und dich töten, und dann wärst du nicht mehr in der Lage, nach Hause zurückzukehren und bei deinem Vetter für mich zu sprechen. Aber du hast noch nicht von deinem Wein gekostet.«
Der zweite Sohn Aletheias betrachtete die Trinkschale auf dem Tisch, als würde in ihm die Hoffnung aufkeimen, daß er den Abend vielleicht doch überlebte, nahm sie dann, wog sie einen Augenblick in der Hand und trank einenSchluck.
»Was soll ich denn dem König von dir sagen?« fragte er argwöhnisch, als hätte er in dieser Angelegenheit eineWahl.
»Nur daß er und seine Soldaten mir tot nichts nützen«, erwiderte Philipp mit nervtötender Gelassenheit. »Ich habe keine Gebietsansprüche an Paionien, aber ich werde es erst verlassen, wenn ich sicher sein kann, daß es mich nie wieder bedroht. Ein entsprechendes Abkommen wäre deshalb sehr nützlich.«
Aus irgendeinem Grund schien dieser Vorschlag den Prinzen Dekios zu erzürnen.
»Lyppeios hat noch immer eine Armee, die
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