Der Makedonier
haben. Wenn wir sie von seiner Fußtruppe trennen können, dann können wir sie uns in aller Ruhe vornehmen. Ich werde bei unserer Fußtruppe sein, und zwar am inneren Schwenkpunkt des rechten Flügels.«
»Bist du verrückt, Philipp? Wenn die paionische Reiterei unsere Reihen erreicht…«
»Ja, ich weiß. Sie werden genau auf den inneren Schwenkpunkt des rechten Flügels zuhalten. Aber wir haben einen Geländevorteil.«
»Wenn du in dieser Schlacht getötet wirst, ist Makedonien am Ende.«
In Philipps Lachen lag etwas beinahe Erleichtertes. »Wenn wir heute verlieren, ist es gleichgültig, ob ich getötet werde. Aber wenn ich befehlen soll, muß ich im Mittelpunkt der Ereignisse sein.«
»Im Krieg sollte ein König besser auf sein Leben achten.«
»Im Krieg ist das Siegen die erste Pflicht des Königs, Lachios.«
Damit war für ihn das Thema beendet. Er drehte ruckartig den Oberkörper und deutete mit entschlossener Geste auf einen Punkt in den Reihen der paionischen Fußtruppe.
»Trefft sie genau dort«, sagte er. »Zerschmettert das Rückgrat, und seht dann zu, wie die Beine nachgeben.«
Eine halbe Stunde später stand Philipp in der vordersten Reihe seiner Fußsoldaten und sah zu, wie die feindliche Reiterei vorrückte.
Ein Angriff ist nutzlos, wenn er nicht in vollem Galopp vorgetragen wird, und genau in diesem Tempo breiteten sich die paionischen Reiter über das zerklüftete, steinige Gelände aus wie ein Schwarm Vögel in einem Wolkenbruch. Doch so verlor ihr Angriff die Stoßrichtung, und wenn sie die makedonischen Linien erreichten, würde er nicht viel mehr Kraft haben als ein Kind, das gegen eine Steinmauer anrennt. Ob sie es nun wußten oder nicht, sie ritten direkt in ein Gemetzel.
Als die Paionier noch etwa hundert Schritt entfernt waren, kniete Philipp sich auf den Boden und hielt seinen Speer schräg nach vorne gestreckt. Die vordersten drei Reihen folgten seinem Beispiel und gaben den Bogenschützen freies Schußfeld. Sehnen erzitterten, und dann flog der erste Pfeilhagel, so dicht, daß sich sein Schatten auf der Erde abzeichnete, zischend über ihre Köpfe hinweg. Eins… zwei… drei… Philipp merkte, daß er zählte, während die Pfeile in die Höhe stiegen und dann in einem Bogen auf die Erde zuflogen. Vier… fünf… sechs… Er war schon fast bei zehn, als der erste der paionischen Reiter vom Pferd stürzte. Noch bevor der Mann auf dem Boden aufschlug, war etwa jedes siebte feindliche Pferd reiterlos.
Der zweite Pfeilhagel war noch verheerender.
»Das sind Wilde aus den Bergen«, flüsterte Philipp bei sich. »Die haben noch nie gegen eine disziplinierte Fußtruppe gekämpft.« Der Gedanke bereitete ihm Kummer.
Als nach dem fünften Pfeilhagel die Führungspferde des Feindes nur noch etwa fünfzig Schritt entfernt waren, stand Philipp auf, wog den Speer in seiner Hand und warf ihn. Dann trat seine Reihe hinter die zweite zurück. Nachdem die drei ersten Reihen ihre Speere geworfen hatten, stand Philipp mit seiner langen Lanze und dem Schild wieder in vorderster Linie und erwartete den Zusammenstoß mit dem Feind.
»Kämpft jetzt, um am Leben zu bleiben«, rief er seinen Soldaten zu. »Haltet die Reihen fest geschlossen, denn wir haben sie bereits besiegt.«
Man kann sagen, was man will, es ist immer wieder ein furchteinflößendes Erlebnis, wenn ein Trupp Reiter direkt auf einen zugaloppiert. Man braucht viel Mut, um nicht zurückzuweichen, sondern sich dem Angriff entgegenzustellen. Aber Philipp hatte schon öfter neben diesen Männern gekämpft und wußte, daß sie standhaft bleiben würden, wenn er es blieb. Er spürte ihre feste Entschlossenheit hinter sich wie eine Wand, so daß sogar der Tod seinen Schrecken verlor.
Der erste Paionier, der die makedonische Linie erreichte, kam direkt auf den inneren Schwenkpunkt zu, als wüßte er genau, wen er dort finden würde. Er versuchte, sich durch die Reihen der Lanzen hindurchzuzwängen, doch Philipps Lanzenspitze traf ihn knapp unter dem Brustkorb und riß ihn vom Pferd. Der Lanzenschaft brach ab, und die Eingeweide des Mannes quollen auf die Erde,als hätte jemand einen Eimer ausgeschüttet. Während er starb, gelang es einem anderen durchzubrechen, und zwar so nah an Philipp, daß er das Zischen des Schwertes hörte, das seinem Nebenmann den Schädel spaltete. Philipp mußte sich das Blut aus den Augen wischen. Aber das Pferd des Angreifers stolperte und ging in die Knie, und bevor es Zeit hatte, wieder aufzustehen,
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