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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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mindestens so groß ist wie deine«, sagte er erregt und stellte die Schale so heftig ab, daß Wein auf den Tisch spritzte. »Er muß sie nur sammeln, und dann wird er dich noch einmal angreifen.«
    »Glaubst du wirklich?« Philipp hob zweifelnd die Augenbrauen. »Ich glaube, er ist geschlagen. Und ich glaube, er weiß, daß er geschlagen ist. Die Hälfte seiner Armee ist tot oder gefangen. Wenn er mit siebentausend Mann nicht siegen kann, wie soll er es dann mit dreitausend schaffen?«
    »Wir hatten heute einfach nur Pech.«
    »Ihr hattet mehr als Pech.«
    »Du erwartest von mir, daß ich eine Unterwerfung befürworte?«
    »Ich erwarte nicht von dir, daß du irgend etwas befürwortest. Sag einfach deinem König, daß Philipp von Makedonien bereit ist, zu verhandeln.«
    »Und wenn er sich weigert?«
    Philipp gestattete sich ein kaum merkliches Lächeln, wie jemand, der etwas lustig findet, es aber für unhöflich hält zu lachen.
    »Er wird sich nicht weigern.«
    Am nächsten Morgen erhielt Dekios ein gutes Pferd und erfuhr, daß man ihm einen halben Tag Vorsprung geben werde, bevor sich der Hauptteil der makedonischen Armee in Richtung auf Lyppeios’ Hauptstadt, die etwa drei Tagesmärsche weiter nördlich lag, in Bewegung setzte. Ein einzelner Reiter konnte diese Entfernung viel schneller zurücklegen als eine Armee auf dem Marsch, und so blieben Lyppeios bis zu zwei Tagen Zeit, sich zwischen Frieden und Vernichtung zu entscheiden.
    Philipp hatte keine Eile. Er gestattete seinen Soldaten ein gemächliches Tempo und schickte zahlreiche Spähtrupps aus, um ganz sicherzugehen. Er wollte nicht in eine zweite Schlacht verwickelt werden, obwohl er natürlich an ihrem Ausgang nicht zweifelte. Schlachten waren teuer, und in Gedanken hatte er diesen Herbst und Paionien schon längst hinter sich gelassen. Das Tauwetter im Frühjahr würde ihm den Krieg mit den Illyrern bringen, und auf den mußte er gut vorbereitet sein.
    Er war deshalb erleichtert, als am Tag, nachdem seine Späher zum erstenmal die niederen Granitmauern einer Siedlung erblickt hatten, die in dieser Wildnis wohl als Stadt zu gelten hatte, ein Abgesandter mit einem Olivenzweig an der Spitze seines Speers, dem Zeichen der Waffenruhe, in sein Lager geritten kam.
    Man kam überein, daß die beiden Könige sich allein auf einem offenen Feld in Sichtweite ihrer beiden Armeen treffen sollten.
     
    Lyppeios war ziemlich bedrückt und vermied es anfangs, seinem Besieger ins Gesicht zu sehen.
    »Ich verlange standesgemäße Geiseln und so viel Tribut, daß ich meine Männer für ihre Mühen entschädigen kann«, sagte ihm Philipp. »Darüber hinaus biete ich dir ein militärisches Bündnis an, das, wie ich vermute, für uns beide von Vorteil sein wird.«
    Philipp wußte, daß er recht gehabt hatte, als er sah, wie sich das Licht in Lyppeios’ Augen veränderte. Nachdem der Mann bereits seine erste Schlacht verloren hatte, fürchtete er sich nun vor seinen eigenen Edelleuten. Seine Macht und wahrscheinlich auch sein Leben waren in Gefahr, und wenn er beides behalten wollte, brauchte er zumindest die stillschweigende Unterstützung des makedonischen Königs.
    Die konnte er haben, aber er sollte für sie auch bezahlen.
    »Du kannst aber nicht gleichzeitig mein Freund sein und der der Illyrer«, fuhr Philipp in verbindlichem Ton fort. »Du mußt dich entscheiden.«
    Angesichts der Leidensmiene, die sich nun auf Lyppeios’ Gesicht zeigte, hätte man wirklich glauben können, daß er in Bardylis’ Urenkelin verliebt war, denn er sah aus, als hätte man von ihm verlangt, sein Liebstes zu opfern.
    »Warum hast du uns angegriffen?« fragte er nun. Es war das erstemal, daß er den Mund öffnete, und er sprach im Tonfall verletzter Unschuld. Doch die Frage war nur eine Ausflucht, ein Vorwand, um das Unvermeidliche noch ein wenig hinauszuzögern. »Meinem Vater hast du Tribut gezahlt. Warum hattest du Angst vor ihm, aber nicht vor mir?«
    »Vor dir hatte ich mehr Angst.«
    Lyppeios kniff leicht die Augen zusammen, als fühlte er sich beleidigt. Er stand sicher unter großem Druck, und das machte ihn unberechenbar.
    »Dein Vater war zu alt und zu geschwächt, um noch viel Interesse am Krieg zu zeigen«, fuhr Philipp fort, als hätte er nichts bemerkt. »Aber ich wußte, du greifst mich an, sobald du König bist.«
    »Wie konntest du das wissen?«
    »Weil ich es genauso gemacht hätte.«
    Diese Antwort schien die Spannung zwischen ihnen zu lösen, und Lyppeios konnte nun auch

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