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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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die Schultern legte.
    »Meine Urenkelin Audata«, sagte er und zeigte sie Philipp, als wäre sie eine Kriegsbeute. »Erst im Alter lernt man auch weibliche Kinder schätzen. Dieses hier liebe ich ganz außerordentlich.«
    Dann flüsterte er, auf Philipp deutend, dem Mädchen etwas zu, das seiner Geste mit großen, fragenden Augen folgte. Sie ging um den Tisch herum zu Philipps Platz und zog ihn am Ärmel seiner Tunika. Als er den Kopf drehte, um zu hören, was das Mädchen zu sagen hatte, küßte es ihn – nicht auf die Wange, wie er erwartet hätte, sondern voll auf den Mund. Dann drehte es sich um und verließ das Zimmer, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen.
    Philipp spürte, wie ihm die Röte ins Gesicht stieg. Pleuratos sah verärgert aus, schwieg aber. Bardylis lachte.
    »Mein Enkel platzt vor Eifersucht«, rief er. »Denn es sieht so aus, als hätte diese kleine Audata die Frau in sich entdeckt, schaut nur! Schon fängt die kleine Henne an, ihren Schnabel zu wetzen! Hahaha!«
    Doch plötzlich hörte der König auf zu lachen. Sein Gesicht verdüsterte sich, als hätte er sich plötzlich eines längst vergessenen Kummers erinnert.
    »Jetzt weiß ich ihren Namen wieder. Dakrua, ihr Name war Dakrua. Du könntest ihr Sohn sein, junger Philipp von Makedonien, denn du hast ihre Augen.«
    Damit schien die Sache für ihn erledigt zu sein.
    »Von dieser Verwandtschaft habe ich nichts gewußt«, sagte Philipp leise und mit bewußt sachlicher Stimme.
    Die Bemerkung überraschte Bardylis mitten im Kauenund schien ihn nicht gerade zu erfreuen. Er schluckte schwer.
    »Ich nehme an, das hat inzwischen jeder vergessen. Das ist der große diplomatische Vorteil des hohen Alters. Ich erinnere mich an Sachen, die alle anderen vergessen haben.«
    Seine Augen, die ebenso blaugrau waren wie die Eurydikes, ja, wie die Philipps, verengten sich leicht, so als meinte der König mehr, als er sagen wollte.

6
     
     
    ALS EURYDIKE SICH vorbeugte, um Alexandros Wein nachzugießen, spürte sie plötzlich Angst in sich aufsteigen. In letzter Zeit hatte es sie immer häufiger überfallen, dieses Gefühl äußerster Hilflosigkeit angesichts einer schrecklichen, aber unbestimmten Gefahr, einer Bedrohung der Zukunft, die in ihrer Vorstellung schlimmer war als der Tod, in der der Tod vielleicht sogar eine gnädige Erlösung darstellte. Ein Warnruf kam ihr auf die Lippen – wovor? Sie wußte es nicht. So unterdrückte sie ihn mit einem dünnen, nicht sehr überzeugenden Lächeln.
    Worüber hatten sie geredet? War es wichtig? Sie konnte sich nicht erinnern.
    Alexandros machte ein gelangweiltes Gesicht. Sein Essen hatte er kaum angerührt, trank aber zuviel Wein, was ihn mürrisch machte. Er wollte weg von hier, das merkte man deutlich, wollte wieder bei seinen Soldaten sein, in der vertrauten und gelösten Gesellschaft von Männern.
    Und genau hier lag das Problem.
    »Du hast dich überanstrengt«, sagte Eurydike, um denFaden wieder aufzunehmen. In ihrer Stimme lag die richtige Mischung von Mitleid und Vorwurf. »Du brauchst jemand, der sich um dich kümmert.«
    »Die Armee braucht jemand, der sich um sie kümmert, Mutter. Über zehn Jahre lang wurde sie vernachlässigt. Es ist kaum zu glauben…«
    »Die Armee ist nichts ohne ihren König, und du kümmerst dich um deine Pferde besser als um dich selbst. Außerdem ist die Armee nicht die einzige Aufgabe eines Königs. Du brauchst eine Frau.«
    Sie lächelte noch einmal, ohne den Schatten der Verärgerung zu beachten, der über Alexandros’ hübsches Gesicht huschte.
    »Und zweifellos hast du bereits eine bestimmte ausgesucht, nur um mir die Mühe zu ersparen?«
    Eurydike zuckte die Achseln und lächelte, als wollte sie sagen, natürlich.
    »Mein Bruder Menelaos hat eine Tochter im heiratsfähigen Alter«, erwiderte sie, obwohl sie sich nur die Falte ansehen mußte, die sich zwischen die Brauen ihres Sohnes grub, um zu wissen, daß Alexandros ihre Nichte Philinna nicht heiraten würde, daß er wahrscheinlich nie heiraten würde. »Das hätte auch politische Vorteile, da die Verbindung mit Lynkestis…«
    »Lynkestis ist in Aufruhr.« Einen Augenblick lang sah es so aus, als wollte Alexandros aufspringen, doch dann beherrschte er sich. »Menelaos hat sich mit den Illyrern gegen mich verschworen. Wenn mir nicht einmal die Tatsache, daß er mein Onkel ist, seine Treue sichert, dann sehe ich nicht ein, was es mir nützen soll, wenn ich ihn zu meinem Schwiegervater mache.«
    »Sie könnte dir einen

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