Der Makedonier
Zuerst verführte er die Hauptfrau seines Königs, die Mutter seines Erben; er mühte sich zwischen ihren Schenkeln ab, bis sie so berauscht von Liebe war, daß sie für alles andere blind wurde. Und als dann Amyntas tot war, machte er sich an die Vernichtung der königlichen Söhne.
Die Sache mit Philipp war ein Meisterstück gewesen:
Der Junge stirbt als Geisel bei den Illyrern, und Alexandros, das Hirn vernebelt von Wut und Reue, erklärt Bardylis den Krieg, nur um besiegt zu werden und selbst in der Schlacht zu fallen. Alexandros war unbesonnen und mutig bis zur Torheit, warum sollte er also nicht getötet werden? Nichts ließe sich einfacher einrichten als das.
Anschließend würde man sich natürlich den Frieden mit den Illyrern erkaufen müssen, und auf dessen Bedingungen hatte Ptolemaios sich bereits mit Pleuratos geeinigt, Bardylis’ ehrgeizigem Enkel, einem Mann, mit dem sich gut verhandeln ließ. Makedonien würde die nördlichen Provinzen aufgeben und sich verpflichten, einen hohen jährlichen Tribut zu zahlen, aber, so sagte sich Ptolemaios, lieber ein kleineres Reich in meinen Händen als ein größeres in fremden.
Denn Perdikkas, der letzte von Amyntas’ Söhnen, wäre noch zu jung, um allein zu regieren, und würde einen Regenten benötigen. Und wer wäre dazu besser geeignet als sein Schwager Ptolemaios?
Und hatte dann erst einmal Perdikkas bei irgendeinem Unglück sein Leben gelassen – denn ihnen haftete das Unglück an, den Söhnen des Amyntas – wen würden die Makedonier zu seinem Nachfolger bestimmen, wenn nicht seinen Schwager Ptolemaios?
Es würde alles so einfach sein, vorausgesetzt nur, Pleuratos erfüllte seinen Teil der Abmachung und kümmerte sich um diesen Bengel Philipp.
Als Bardylis zum erstenmal hörte, daß Philipp seine Gastgeber »Illyrer« nannte, verbesserte er ihn sofort. »Wir sind Dardaner. Für einen Makedonier ist dieser Unterschied vielleicht nicht sehr wichtig, für uns aber sehr. Die Illyrer bestehen aus vielen Völkern, aber wir sind ihre Anführer; ein Thebaner würde es auch nicht gerade als Schmeichelei auffassen, wenn du ihn einen >Böoter< nennst. Bei uns ist es das gleiche.«
Und die Dardaner, das erkannte Philipp sehr schnell, waren versessen auf Krieg. Sie betrachteten den Krieg nicht als Mittel der Politik, und sie waren auch kein Soldatenvolk wie die Spartaner, die Disziplin und Ordnung als handlungsbestimmende Elemente in ihr Alltagsleben eingeführt und so beinahe etwas Edles daraus gemacht hatten. Es schien auch kaum vorstellbar, daß die Dardaner an so etwas überhaupt dachten. Begriffe wie Ehre, Dienst und Disziplin bedeuteten ihnen nichts, ihre Philosophie war die von Räubern. Skrupel kannten sie nicht. Die einzige Tugend, die bei ihnen Anerkennung fand, war der Mut, und den besaßen sie im Überfluß, aber ansonsten sahen sie den Krieg, wie ein Kind ihn sehen mochte, als eine Art Spiel, das bis zum bitteren Ende getrieben wurde, mit Blut und Leben als Einsatz und Vergewaltigung und Plündere! als Gewinn.
Und dies, nur dies, war für die Dardaner der Gipfel des Lebens. Da die weisesten und besten Männer nicht immer die angenehmsten Gefährten sind, vor allem, wenn man gerade zum Mann heranreift, war das Leben unter diesen Räubern entschieden nach Philipps Geschmack.
Fast alle dardanischen Edlen sprachen ein wenig Griechisch, und Philipp lernte schnell einige hundert Wörter ihrer Sprache, genug, um sich auch mit den einfachen Leuten verständigen zu können, die keine Bedenken hatten, diesen fremden Prinzen, der von ihrem König abstammte, so gut reiten konnte wie jeder von ihnen und vor nichts Angst zu haben schien, als ihresgleichen zu akzeptieren. Philipp genoß das alles sehr, er genoß ihre Gesellschaft, und vor allem genoß er das erregende Erlebnis ihrer wilden Reiterübungen.
Soldaten werden gedrillt, und jeder Soldat haßt den Drill. Aber diese Soldaten waren keine richtigen Soldaten, und deshalb waren ihre Kriegsübungen eher ein Vergnügen: ein Spiel, das sie mit der Begeisterung von Kindern spielten.
In den ersten Wintertagen, als auf der Ebene vor der Stadt der Schnee noch nicht höher als zwei oder drei Spannen lag, veranstalteten sie Scheingefechte, bei denen sie, die Spitzen ihrer Lanzen mit Stoffetzen umwickelt, in breiten Reiterreihen wild schreiend aufeinander losstürmten. Wenn sie durch den Pulverschnee galoppierten, wirbelten ihre trittsicheren Pferde feine Wolken auf, die sie fast einhüllten, und Männer,
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