Der Makedonier
Sohn schenken…«
»Die Erbfolge ist gesichert«, erwiderte er und schnitt ihr damit das Wort ab. Er hob dabei die Stimme, als glaubte er, sie niederschreien zu müssen. »Vor einem Monat habe ich Perdikkas zu meinem Nachfolger bestimmt, und so haben wir von Philipp jetzt nichts mehr zu befürchten. Es ist gar nicht notwendig, daß wir von Frauen sprechen.«
Er war sich bewußt, daß er sich in der Hitze des Zorns zu einem Fehler hatte hinreißen lassen, das sah man an der Art, wie er die Augen niederschlug.
Doch Eurydike beschloß mit mütterlicher Weisheit, es zu übersehen, zumindest für den Augenblick.
»Ist denn der Gedanke an eine Frau so abstoßend für dich, mein Sohn?« Sie legte ihm zärtlich die Hand auf die seine. Er wich vor ihrer Berührung nicht zurück. »Es ist doch nur eine Kleinigkeit, in wenigen Augenblicken vorüber, und dann ist der Pflicht des Königs Genüge getan. Du mußt auch an deine eigene Sicherheit denken, denn wie viele Könige Makedoniens wurden nicht in der Schlacht getötet, sondern von niederträchtigen Untertanen? Ein Mörder wird es sich zweimal überlegen, bevor er zuschlägt, wenn es einen Sohn gibt, der den Tod seines Vaters rächen kann.«
»Meine Brüder würden mich rächen.«
Er wußte, daß das nicht stimmte, und deshalb schienen ihm die Worte auf den Lippen zu ersterben. Eurydike mußte ein Lachen unterdrücken, ein Lachen, aus dem sehr schnell ein hysterisches Weinen geworden wäre.
»Perdikkas würde dich rächen?« fragte sie und versuchte erst gar nicht, ihre Verachtung zu verbergen. »Perdikkas? Ich glaube, daß ein Mann, der den Wagemut besitzt, dich zu töten, von Perdikkas nichts zu befürchten hat. Und schließlich wäre Perdikkas nach dir König.«
Sie wartete ab, ob er es über sich brachte, Philipps Namen auszusprechen, doch er schwieg. Es war ihnen beiden angenehm, einen Augenblick lang zu vergessen, daß es ihn gab.
»Ich werde darüber nachdenken«, sagte er, doch so, als stünde seine Entscheidung bereits fest.
»Ja, denk darüber nach, mein Sohn, was diese wenigenStunden in den Armen einer Frau dir einbringen könnten . – .«
Alexandros lächelte und zeigte dabei seine Zähne, so daß das Lächeln fast wie eine Drohung wirkte.
»Und was, Mutter, haben Ptolemaios die Stunden in deinen Armen eingebracht?«
Praxis war ein verweichlichter, heimtückischer, hinterhältiger Junge, für den nur seine ehrwürdige Ahnenreihe und sein hübscher Hintern sprachen. Nicht einmal die gröbsten Begierden konnten von so einem lange befriedigt werden, und so war es nicht verwunderlich, daß Alexandros ihn nach einer kurzen Zeit des Vernarrtseins verstieß, und auch nicht, daß er, was typisch für ihn war, die Gefahren nicht sah, die von einem verstoßenen Liebhaber ausgingen. Praxis durfte sogar am Hof bleiben, wo er schmollte wie eine Frau und seine Wunden pflegte -und wo Ptolemaios, der in ihm natürlich sofort ein nützliches Werkzeug erkannte, nicht zögerte, ihn zu verführen.
Schon eine einzige Nacht genügte, um Ptolemaios davon zu überzeugen, daß er richtig gewählt hatte, denn Praxis ließ alles mit sich geschehen, ertrug jede Erniedrigung, ja, er schien eine brutale und verächtliche Behandlung sogar zu genießen, solange man ihn nur in dem Glauben ließ, daß er das leidenschaftlichste Verlangen erregte. Die Götter hatten sich wohl einen Spaß erlaubt, als sie ihm den Körper eines Mannes gaben, denn er war zur Hure geboren und spreizte mit kriecherischer Dankbarkeit seine Hinterbacken für jeden nur erdenklichen Gebrauch.
»Praxis, mein Geliebter, du mit deinem Sklavenherzen voller Groll und Eifersucht, was für ein abstoßendes kleines Ding bist du doch«, flüsterte Ptolemaios nachdenklich, als er sich mitten in der Nacht aufsetzte, um einen Schluck Wein zu trinken, und dabei sein Blick auf dieschlafende Gestalt neben ihm fiel. »Und wie bewundernswert wirst du meinen Zwecken dienen.«
Und während er in der stillen Dunkelheit seinen Wein trank, spürte er in sich eine Erregung, die zu gleichen Teilen aus Angst und Heiterkeit zusammengesetzt schien, denn er wußte, er hatte den Mut, alles zu tun, was seinem grenzenlosen Ehrgeiz nutzte, der in seiner Seele glühte wie ein Kohlestückchen und alles andere verzehrte, damit er um so heller brannte; in diesem Augenblick erschreckte und faszinierte ihn sein Wagemut gleichermaßen.
Vielleicht konnte er auch nur in solchen Augenblicken, wenn er vollkommen allein war mit sich selbst, das
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