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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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die aus Nachlässigkeit oder Pech aus dem Sattel geworfen wurden, standen für gewöhnlich lachend gleich wieder auf, spuckten vielleicht Blut oder ausgeschlagene Zähne auf die Erde und wischten sich das Eis aus den Barten.
    Es war Krieg ohne die lähmende Angst vor dem Tod – und was wußte denn Philipp schon vom Tod? Das Spiel erfüllte ihn mit einer seltsamen Hochstimmung, die alle Angst und Erschöpfung auslöschte und ihm das Gefühl gab, unsterblich zu sein. An manchen Tagen ritt er ohne Pause, bis Alastors Flanken schäumten vor Schweiß.
    Die Dardaner betrachteten Philipp noch als Fremden, als er die ersten beiden Male an ihrem Sport teilnehmen durfte, und sie behandelten ihn mit der herablassenden Nachsichtigkeit, die normalerweise Kindern vorbehalten ist. Doch sie sahen sehr schnell, daß dieser »makedonische Junge«, sooft sie ihn auch in den Schnee stießen, immer wieder aufstand. Er war weder feige noch schwach, und er ertrug ihr Gelächter mit guter Miene. Nach dem dritten Tag hörten sie auf, ihn »Junge« zu nennen, und nachdem er erst einmal die Kniffe ihrer Art von Kriegführung begriffen hatte, war schon der Anblick von »Philipp von Makedonien«, der auf seinem prächtigen schwarzen Hengst mit angelegter Lanze auf sie zugaloppierte, genug, um sogar Männern Angst einzujagen, die Grenzdörfer seines Vaters überfallen hatten, lange bevor er geboren war.
    Die Nachmittage waren mit diesem wunderbaren ‘ Spiel angefüllt, und danach ritt jeder nach Hause in die Bäder, um sich dort die Steifheit aus den Gliedern zu schwitzen und starken Wein zu trinken, seine Verletzungen vorzuzeigen und vor den anderen damit zu prahlen, wie er sie erhalten hatte. Philipp genoß das alles außerordentlich, und es machte ihn stolz, denn unter diesen Dardanern fühlte er sich endlich als Mann unter Männern. Er hatte nun endgültig seine Kindheit hinter sich gelassen.
    Doch obwohl ihn die Dardaner wie einen der ihren behandelten, war er immer noch ein Gefangener, denn Bardylis’ Wachhund, der Mann, den er Zolfi genannt hatte, war immer in der Nähe. Auch als Philipp jetzt vom Feld in die Stadt zurückritt, brauchte er nur zu Boden zu blicken, um den Schatten des Pferdes seines Wächters zu sehen. So war es auch nicht schwer für ihn, Alexandros’ Befehl zu befolgen: »Vergiß nicht, die Augen offenzuhalten, wenn du bei ihnen bist.« Und seine Augen, mit denen er die Türme und Stege der Stadtmauer studierte, waren die eines Feindes.
    »Sie bauen Befestigungen, aber ohne Überzeugung«, dachte er. »Sie können einfach nicht glauben, daß sie sie je brauchen werden, sie können sich nicht vorstellen, daß es je jemand wagen sollte, ihre Tore anzugreifen. Ich könnte diese Stadt in einem halben Tag einnehmen.«
    Und in seiner Vorstellung, beinahe zwischen einem Atemzug und dem nächsten, tat er es auch. Die Mauern lagen in Trümmern, Rauch hing über den geplünderten und zerstörten Gebäuden. Und der alte Bardylis, demütig um das Leben seines Volkes bettelnd, wie würde der die Augen aufreißen, wenn er sah, daß unter dem bronzenen Kriegshelm des Heerführers hervor sein Urenkel ihn angrinste!
    Doch dann fiel Philipp der enge, felsumschlossene Zugang zu diesem Tal ein und wie einfach eine HandvollMänner ihn gegen eine Armee verteidigen konnte. Was würde hier die größere Anzahl bedeuten, außer mehr Leichen, die den Eingang verstopfen?
    Philipp nahm sich vor, einen Vorwand zu finden, um die Stelle zu erkunden. Vielleicht gab es eine Schwäche, die er noch nicht bemerkt hatte.
    Er spornte Alastor an und widerstand dabei der Versuchung, sich umzudrehen. Zolfi konnte seine Gedanken nicht lesen, aber allein schon mit Blicken konnte ein Mann sich verraten.
    In der Stadt angekommen, sah Philipp zu seiner Überraschung die kleine Audata seelenruhig auf dem Steinrand einer leeren Zisterne sitzen, die Arme um die Knie geschlungen, als wollte sie sich gegen den aufkommenden Abendwind schützen. Es war das erste Wiedersehen seit dem Abend seiner Ankunft.
    Ohne ihn direkt anzusehen, hob sie den Kopf auf eine Art, der man anmerkte, daß sie beachtet werden wollte. Und Philipp beachtete sie wirklich, denn ihr Gesicht war weniger das eines Mädchens als das einer Frau. Sie war sogar richtig schön, fiel ihm auf, mit ihren bronzefarbenen Haaren und den hohen Wangenknochen, die ihr ein zart katzenhaftes Aussehen gaben – vielleicht war es das, was ihr den Anschein noch unerweckter Sinnlichkeit gab, und Philipp mußte

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