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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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plötzlich an den Kuß denken, den sie ihm auf die Lippen gedrückt hatte. Er lächelte bei der Erinnerung und wurde auf einmal verlegen.
    »Ist dir denn nicht kalt?« fragte er und bückte sich so tief, daß er fast auf dem Hals seines Pferdes lag. Es dauerte eine Sekunde, bis sie ihm ihre blaugrauen Augen zuwandte, so als hätte sie ihn nicht gehört.
    »Wirst du einmal ein König sein?«
    Er mußte wohl überrascht ausgesehen haben, denn sie wiederholte die Frage.
    »Wirst du ein König sein, Philipp? Urgroßvater hat gesagt, daß ich eines Tages die Braut eines großen Königs sein werde.«
    »Es wird ein schwarzer Tag für die Makedonier sein, wenn sie mich zum König wählen müssen, denn ich habe noch zwei ältere Brüder.« Er lachte, doch plötzlich bereitete ihm sein Abstand von der Königswürde, über den er sich bis jetzt noch nie Gedanken gemacht hatte, beinahe Kummer.
    »Aber es sind schon merkwürdige Dinge geschehen«, entgegnete sie. »Vielleicht wirst du doch mal ein König.«
    Direkt hinter sich hörte Philipp einen Schwall Flüche – obwohl er kein Wort verstand, konnte es nichts anderes sein –, und Audata, die erschreckt hochfuhr, als wäre sie unvermittelt in eine kalte und unbarmherzige Gegenwart zurückgeholt worden, glitt vom Rand der Zisterne und eilte davon. Ein Pferd hielt neben Philipps. Es war Pleuratos. Einen Augenblick lang starrte er ihn böse an, in einem haßerfüllten Schweigen, das selbst schon ein Fluch zu sein schien, dann wandte er sich ab und ritt weiter.

7
     
     
    OBWOHL BARDYLIS SCHON über achtzig war, konnte er noch immer so gut und so ausdauernd reiten wie in den Tagen seiner Jugend, doch im Sommer seines zweiundsiebzigsten Lebensjahres, bei einem Vergeltungsangriff auf die Taulantii, war sein Pferd unter ihm getötet worden, und er hatte sich bei dem Sturz das Bein zerquetscht. Die Knochen waren nie wieder richtig zusammengewachsen, und er mußte seitdem am Stock gehen. Er war nicht der Mann, der seine Gebrechen geduldig ertrug oder auch nur zugab, daß er welche hatte, und deshalb war ihm der Stock ein dauerndes Ärgernis. Wenn er mit Philipp spazierenging, zog er es vor, den Stock zu Hause zu lassen und sich statt dessen auf die Schulter des jungen Mannes zu stützen, die genau die richtige Höhe hatte. Vielleicht war es das, was die Vertrautheit zwischen ihnen schuf, vielleicht rührte aber auch etwas an Philipp eine längst vergessene Erinnerung auf und weckte die Zärtlichkeit des alten Mannes. Oder vielleicht gefiel es Bardylis einfach nur, seinen Stock zu Hause lassen zu können. Auf jeden Fall wurde bald deutlich, daß der König der Dardaner eine besondere Vorliebe für die Gesellschaft seines Urenkels entwickelt hatte.
    »Ich wünschte mir, du könntest bei uns bleiben«, sagte Bardylis eines Morgens, als die beiden zum Stadttor und. zurück schlenderten, denn weiter traute sich der alte Mann zu Fuß nicht. »Ich wünschte mir, du würdest vergessen, daß du ein Makedonier bist. Dann würde ich Pleuratos übergehen und dich zu meinem Erben machen. Mein Enkel ist ein Flegel, mußt du wissen. Er taugt zu nichts außer zum Plündern von Dörfern, ihm fehlt die Feinsinnigkeit. Du würdest einen viel besseren König abgeben.«
    »Es heißt doch allgemein, daß alle Illyrer zu nichts anderem taugen als zum Plündern von Dörfern«, entgegnete Philipp. Darüber lachten sie beide, denn Bardylis war ein Mann, der die Wahrheit durchaus ertragen konnte. »Außerdem, wenn ich die Seiten wechseln würde, was würde Alexandros dann mit der Geisel in seiner Gewalt tun?«
    »Ihr die Kehle durchschneiden«, antwortete Bardylis in vollkommen sachlichem Tonfall, als würde er etwas Belangloses feststellen. »Auch dieser Junge ist einer meiner Urenkel. Du hast ihn ja gesehen, eine durchgeschnittene Kehle würde ihn sehr zu seinem Vorteil verändern. Warum? Hast du wirklich geglaubt, ich wäre dumm genug, jemand zu schicken, an dessen Leben mir etwas liegt?«
    Er sah Philipp an und lächelte. Es war ein freundliches Lächeln, und doch gab es Philipp einen Stich ins Herz.
    »Solltest du je König werden, Philipp, dann denk daran, daß der Stamm des Königshauses nur kräftig bleibt, wenn man nicht vergißt, die schwächeren Äste abzuschneiden.
    Jetzt habe ich dir einen Schrecken eingejagt«, fuhr er fort, und es klang, als hätte er genau diese Wirkung beabsichtigt. »Und jetzt möchtest du nicht mehr mein Erbe werden. Aber wie ich dich kenne, hast du daran sowieso nie

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