Der Makedonier
gedacht, weil du nie vergessen wirst, daß du ein Makedonier bist, und weil du vorhast, das alles hier nicht durch Erbschaft, sondern durch Eroberung in Besitz zu nehmen.«
Er machte eine weit ausholende Geste, die die ganze Welt zu umfassen schien, und ließ dann den Arm sinken, als hätte ihn plötzlich die Kraft verlassen.
»Weißt du, Philipp, ich habe bemerkt, wie du dich umsiehst, mit welch begehrlichen Blicken du die Mauern meiner Stadt musterst. Ich habe nichts dagegen, denn das ist nur natürlich, vor allem bei einem jungen Mann, der die Gier nach Ruhm in sich aufwallen spürt. Ich erinnere mich noch an meine eigene Jugend und an die Träume von zukünftigen Triumphen, die all mein Denken bestimmt haben. Deshalb weiß ich, daß das nur ein Spiel ist, das du in deinem Kopf spielst. Aber nimm dich in acht, denn andere haben das sicher auch schon bemerkt. Und die sind vielleicht weniger nachsichtig als ich.«
»Wovor warnst du mich, Urgroßvater – vor einem Angriff auf deine Stadt oder vor Pleuratos?«
Das Gelächter des alten Mannes klang hoch und spröde wie splitterndes Eis.
»Dir entgeht nicht viel, was, mein Junge?« Seine Stimme klang pfeifend, als hätte die Anstrengung des Lachens ihn erschöpft. »Philipp, wenn du überlebst, wirst du bestimmt eines Tages ein großer Mann sein, und doch glaube ich, daß die Illyrer sicher sind, sogar vor dir, denn kein Makedonier würde es wagen, eine Armee an diesen Ort z u führen.«
»Dann meinst du Pleuratos.«
»Ich habe nichts gesagt«, erwiderte Bardylis und verstärkte den Griff um Philipps Schulter. »Das ist eine Sache, in die ich mich lieber nicht einmische.«
»Trotzdem werde ich lernen, mir den Rücken freizuhalten.«
»Das ist immer klug.«
Als Philipp schließlich darum bat, einen Ausritt in die Berge der Umgebung unternehmen zu dürfen, hatte Bardylis nichts dagegen.
»Geh nur«, sagte er. »Befriedige deine Neugier, denn ich will, daß du dir keine falschen Vorstellungen machst. Du wirst nur entdecken, was viele andere aus der Erfahrung und unter entsetzlichen Opfern lernen mußten, daß nämlich dieses Tal uneinnehmbar ist. Die Klippen sind steil und zu dieser Zeit von Eis bedeckt – also paß auf, wohin du trittst.«
Der alte König bedachte ihn mit einem frostigen Lächeln, als wollte er eine Warnung in der Warnung andeuten.
Und so kam es, daß Philipp sich an einem bitterkalten Morgen, zwei Monate nach seiner Ankunft bei den Illyrern, aufmachte, um die felsige Umgebung des Tales zu erkunden. Er führte Verpflegung für vier Tage mit sich, und wie immer folgte ihm Zolfi, der hinter ihm ritt wie eine Mahnung an die Sterblichkeit. Philipp hatte sich an seine stumme Anwesenheit so sehr gewöhnt, daß er ihn kaum noch zu beachten schien.
Er merkte, daß die Kälte ihn nicht mehr störte. Er kleidete sich inzwischen wie ein Illyrer und trug eine Pelzweste, die die Arme frei ließ, doch das machte ihm nichts aus. Vielleicht, dachte er, verwöhnen sich die Völker desSüdens zu sehr. Und vielleicht leidet man an der Kälte nur so stark, wie man es erwartet. Auf jeden Fall spürte er, daß er unter diesen nördlichen Wilden härter geworden war, weniger anspruchsvoll und insgesamt gerüsteter für die Grausamkeit der Welt. Er dachte an den Jungen, der er in den ersten Tagen nach der Trennung von Alkmene und ihrem trauten Heim gewesen war, wie er in seinem dicken Schaffellumhang gezittert hatte, und ein beinahe verächtliches Lächeln zog seine Mundwinkel nach unten.
Ich muß hart sein, dachte er, als der Schatten des Stadttores sich über ihn legte, denn bevor ich auf diesem Weg zurückkehre, muß ich mein Leben verteidigen.
Seit Tagen schon spürte Philipp, daß Zolfi nur auf eine günstige Gelegenheit wartete. Der Mann wollte ihn töten. Am Leben war er noch, weil nicht bekannt werden durfte, daß er Opfer eines Mordes geworden war, aber Zolfi war wie ein Fuchs, der am Bau eines Hasen schnuppert.
Es würde aussehen wie ein Unfall. Keine Schwertwunden, nicht einmal Kampfspuren würde Philipps Leiche aufweisen, wenn man sie den Makedonien! zur Bestattung übergab, nichts, das Alexandros zur Rache verpflichten würde. Vielleicht ein Reitunfall, ein Sturz unter die Hufe seines eigenen Pferdes, bei dem sein Schädel wie eine Melone zertrümmert und sein Gehirn in den Schnee gespritzt wurde. »Er war tot, bevor wir bei ihm sein konnten«, würden die Illyrer erklären. »Er war ein sehr ungestümer Junge, und dann diese schwarze
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