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Der Makedonier

Der Makedonier

Titel: Der Makedonier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Guild
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Sie kamen so schnell voran, daß die Sonne immer noch weit im Osten stand, als sie den Gipfel erreichten.
    Philipp mußte sich nur umsehen, um zu erkennen, daß Bardylis vermutlich recht hatte. Keine fünf Schritte vor ihm brach der Fels jäh ab. Es gab zwar Pfade am Berghang, aber die waren zu dieser Jahreszeit vereist, und wer hier kletterte, brauchte nur einmal falsch aufzutreten, um unweigerlich in die Tiefe zu stürzen. Nur ein Narr würde versuchen, eine Armee über diesen Gebirgszug zu führen; der einzige Zugang war deshalb der Paß, und der war undurchdringlich, wenn nur eine Handvoll Männer ihn verteidigten. Die Illyrer waren in ihrem Tal also wirklich sicher.
    Philipp spürte die Wintersonne auf seinem Rücken. Es war windstill, und ein entsetzliches Schweigen schien sich über die Erde gelegt zu haben. In der Entfernung glitzerten schneebedeckte Bergspitzen im hellen Sonnenlicht, während die Täler dazwischen noch immer im tiefen Schatten der Nacht lagen. Es war, als stünde man am Beginn des Lebens. Nur ein kurzes Stück vor ihm brach der feste Grund in eine Leere ab, die so unermeßlich schien wie der Tod selbst.
    Ja, der Tod war nahe. Er konnte ihn beinahe riechen. Er spürte, daß er ihm winkte.
    Er ließ sich ein, zwei Schritte näher an den Rand ziehen – langsam, wie ein Mann in Trance. Er spürte, wiesein Bewußtsein sich verflüchtigte, als stünde er kurz davor, das Leben auszuziehen wie ein Kleidungsstück, dessen Gewicht ihn belastete. Er starrte ins Leere, gefesselt von der alles auslöschenden Großartigkeit. Doch etwas nagte an ihm. Immer wieder huschte sein Blick zum schneebedeckten Boden.
    Und plötzlich, zwischen einem Herzschlag und dem nächsten, kehrte das Leben in ihn zurück. Dieser Augenblick, dieser Sekundenbruchteil, war alles, was zählte. Zeit zu denken hatte er nicht – es gab nur das Jetzt.
    Bevor er wußte, was er tat, hatte Philipp sich zu Boden geworfen. Er war einfach gesprungen, und jetzt merkte er erstaunt, daß er mit dem Gesicht im Schnee lag.
    Doch dann wußte er alles. Mit einer scharfen Drehung seines Körpers rollte er sich vom Abgrund weg und stieß dabei gegen ein Paar Beine. Er hörte ein überraschtes Aufstöhnen, als der Mann über ihn stolperte, und dieses Geräusch erfüllte ihn mit einer kalten, erbarmungslosenWut.
    Er holte mit dem linken Arm aus und traf Zolfi nur wenig unterhalb der Kniekehlen, so daß der Mann hilflos zu taumeln begann.
    Aber es war noch nicht genug. Philipp wußte, bevor dieser Gedanke richtig Gestalt annehmen konnte, daß es nicht genug war.
    Er drehte sich auf den Rücken, zog die Beine an und traf Zolfi mit beiden Füßen genau am Ende des Rückgrats.
    Zolfi stürzte aufschreiend zu Boden und krallte sich wie ein Tier mit ausgestreckten Armen in den Schnee, doch er war zu nah am Abgrund. Er rutschte zum Rand und stürzte dann mit dem Kopf voran ins Leere.
    Ein schriller Entsetzensschrei war zu hören, dessen Echo von den Felswänden widerhallte.
    Philipp war froh, daß er das Gesicht des Mannes nicht hatte sehen müssen.
    Ein paar Minuten lang konnte er sich nicht rühren, denn n och hielt ihn, wie mit Krallen, die sich in sein Fleisch bohrten, das Grauen umklammert. Noch nie in seinem Leben hatte er solche Angst gehabt. Er lag da, die Beine weit gespreizt und die Arme ausgestreckt, als wollte er sich an der Erde festklammern, um nicht selbst ins Leere zu stürzen. Der Himmel über ihm schien sich wild zu drehen.
    Doch langsam und allmählich wich die Angst. Schließlich war er in der Lage, sich aufzusetzen und auf Händen und Knien zum Abgrund zu kriechen. Doch er mußte sich wieder auf den Bauch legen, bevor er den Mut aufbrachte, über den Rand zu schauen.
    Die Leiche lag knapp oberhalb des Paßbodens. Auf einem Felsvorsprung etwa zweihundert Ellen über dieser Stelle glaubte Philipp einen Blutfleck zu erkennen: Zolfi mußte zuerst dort aufgeschlagen sein und war vermutlich schon tot gewesen, bevor sein Körper weiter unten zum Liegen kam.
    Es war sein Schatten, der ihn getötet hatte. Er war vor ihm auf den Schnee gefallen, als er auf Philipp zustürzte, um ihn über den Rand zu stoßen, und ohne es zu wissen, hatte Philipp genau darauf gewartet. Von einer solchen Kleinigkeit konnte das Leben eines Mannes abhängen, davon nämlich, daß er vergaß, was es bedeutete, das Licht im Rücken zu haben.
     
    Die Sonne stand gerade im Zenit, als Philipp zu der Steinhütte zurückkehrte. Eine der Wachen saß vor der Tür und

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