Der Makedonier
Bakelas, komm raus. Du hast sie lang genug für dich allein gehabt. Zeit zum Teilen.«
Die Decke vor der Tür wurde beiseite geschoben, und ein Mann betrat die Hütte. Einen Augenblick lang stand er einfach da, die Decke noch in der erhobenen Hand. Vielleicht sah er gar nicht, daß etwas nicht stimmte.
Philipp hatte neben der Öffnung gelauert. Er trat einen Schritt vor und stieß dem Mann das Schwert mit brutaler Gewalt knapp unterhalb des Brustkorbs in den Leib. Es drang fast bis zum Heft ein. Der Mann öffnete den Mund, als wollte er schreien, doch es spritzte nur ein dünner Blutstrahl hervor. Er war tot, bevor seine Knie den Lehmboden berührten.
»Das sind zwei«, murmelte Philipp. Er zog das Schwert heraus und wischte es an der Tunika des Dardaners ab. Plötzlich erfüllte der stechende Geruch des Todes die Hütte. Er wandte sich der Frau zu.
»Du bleibst hier«, sagte er. Seine Stimme und sein Herz schienen zu Eis geworden zu sein. »Und gibst keinen Ton von dir. Ich muß mich um die zwei anderen kümmern – wenn ich sie nicht töte, töten sie mit Sicherheit mich, und dann werden sie sich an dich erinnern. Wenn du überleben willst, verläßt du diese Hütte nicht.«
Er wartete ihre Antwort nicht ab, da sie für ihn in diesem Augenblick kaum existierte. Er ließ sie einfach, wo sie war.
Draußen sog er die kühle Nachtluft tief in seine Lunge, und einen Augenblick lang war es ihm, als würde er ohnmächtig werden. Eben hatte er innerhalb von Minuten zwei Männer getötet. Er hatte zuvor noch nie jemanden eigenhändig getötet – Zolfi zählte irgendwie nicht.
Er zwang sich, nicht daran zu denken. Er hatte nicht die Zeit, sich eine solche Schwäche zu erlauben.
Noch waren zwei übrig.
Sie saßen einander gegenüber am Feuer, tranken Bier aus kleinen Krügen und unterhielten sich mit leisen, mürrischen Stimmen. Sie hörten nichts und sahen nichts. Sie hoben nicht einmal die Köpfe. Es war fast zu einfach.
Philipp trat hinter den einen, hob sein Schwert und ließ es auf den Hals des Mannes niedersausen. Der Dardaner ächzte auf, ein dicker Blutschwall quoll aus der Wunde, und dann kippte er zur Seite. Er lag auf der Erde, seine Beine zuckten noch heftig, doch er war bereits tot. Vermutlich hatte er den Schlag, der ihn getötet hatte, nicht einmal gespürt.
Als der zweite Dardaner sah, was geschehen war, krabbelte er rückwärts und wäre dabei in seiner Hast davonzukommen, beinahe auf den Rücken gefallen. Seine Augen waren weit aufgerissen vor Schreck. Philipp empfand Ekel, als wäre ihm eben der Gestank einer verwesenden Leiche in die Nase gestiegen.
»Steh auf«, befahl er. »Steh auf. Nimm dein Schwert in die Hand und verteidige dich. Ich bin es müde, Dardaner abzuschlachten wie Schafe.«
Der Mann ließ die Spitze von Philipps Schwert keinen Augenblick lang aus den Augen. Zuerst schien er zu verblüfft zu sein, um sich zu bewegen, doch dann stand er unvermittelt auf. Er sah aus, als wüßte er nicht, was er tun sollte.
»Zieh dein Schwert – oder soll ich dich einfach so töten?«
Diese Worte hatten die gewünschte Wirkung, denn der Mann zuckte zusammen, als hätte man ihm ins Gesicht geschlagen, und fletschte dann, halb grinsend, halb knurrend die Zähne.
»Du überheblicher kleiner Junge«, sagte der Dardaner in einem heiseren Flüstern voller Verachtung. »Glaubst du vielleicht, ich habe Angst vor einem makedonischen Kind, nur weil das keine Angst hat, von hinten zu töten?«
»Dich werde ich nicht von hinten töten.«
»Nein.« Er lachte, als wäre ihm eben die Ironie dieses Satzes aufgegangen. »Nein, das wirst du nicht.«
Der Mann war etwa eine Spanne größer und ungefähr zehn Jahre älter als Philipp. An seinen nackten Armen wölbten sich die Muskeln. Haare und Bart waren von einem stumpfen Gelb, was den Eindruck selbstgerechter Grausamkeit noch verstärkte. Wie viele hatte er im Kampf Mann gegen Mann schon getötet?
Plötzlich machte er einen Satz vorwärts, doch es war weniger ein ernsthafter Angriff als ein Herantasten an den Gegner. Philipp wehrte die Spitze des Schwerts mit seiner Klinge ab und lenkte den Stoß zur Seite. Der Mann trat ein oder zwei Schritte zurück.
»Na schön, die Grundbegriffe hat man dir also schon beigebracht.« Der Dardaner grinste über das ganze Gesicht. »Trotzdem werden die Hunde dich schon gefressen haben, bevor du auch nur eine Viertelstunde älter bist.«
Sie umkreisten einander, und der Schein des Lagerfeuers funkelte auf ihren Waffen.
Weitere Kostenlose Bücher