Der Makedonier
wenn er vor der Versammlung spricht.«
»Dann freue ich mich schon darauf, ihn eines Tages dort zu hören«, sagte Philipp und streckte die Hand aus.
Weder Arrhidaios’ Schmeichelei noch Philipps Hand schienen sehr willkommen zu sein. Letztere wurde mit schlaffem Druck kurz gefaßt und sofort wieder losgelassen, wie man es tun mag, wenn man plötzlich überrascht feststellt, daß man die Finger einer Leiche umklammert. Erstere fand überhaupt keine Beachtung.
»Erfreut.«
Mehr sagte er nicht, doch dieses eine Wort verriet alles. Einen Augenblick lang schien es in seiner Kehle festzustecken, um dann unter verstärktem Druck herauszuplatzen, als wollte der Sprecher es weit von sich schleudern. Die Götter hatten den großen Redner mit einem Sprachfehler gestraft.
Philipp versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und nur unverbindlich zu lächeln, doch ein Mann mit einem Gebrechen erkennt sehr schnell, wann er ertappt ist. Die Falten um Demosthenes’ Mund schienen sich noch zu vertiefen.
»Gehst du hinein?« Philipp wandte sich seinem Halbbruder zu und versuchte zu vergessen, daß sie nicht allem waren. »Ich wollte zwar gerade gehen, aber…«
»Nein, nein, nein, ich bin sicher, Demosthenes wird uns entschuldigen. Er möchte den großen Pammenes kennenlernen, und dabei könnte meine Anwesenheit vielleicht etwas peinlich werden.«
Arrhidaios lachte nervös, wie jemand, der wünscht, daß man ihm widerspricht, doch Demosthenes runzelte nur die Stirn und sah weg.
»W-wie du willst«, sagte er. Ohne eine Antwort abzuwarten, stieg er die Stufen zu Aristodemos’ Haustür hinauf und war bald in der wogenden Menge im Haus des großen Mannes verschwunden.
»Na – wie’s aussieht, können wir tun, was wir wollen.« Arrhidaios lächelte und legte Philipp den Arm um die Schultern. »Sollen wir deinem ursprünglichen Plan folgen und uns ein Hurenhaus suchen?«
»Mit meinem ursprünglichen Plan hat das nichts zu tun. Ursprünglich wollte ich nämlich nur in mein Bett, das leider leer ist.«
»Aber jeden Plan kann man ändern.«
»Ja, das stimmt.«
Es war zwar kein richtiges Hurenhaus, in dem sie landeten, aber es lief so ziemlich auf das gleiche hinaus. Arrhidaios kannte eine Weinschenke am Fuß des Hügels von Colonos, in dem die eleganteren jungen Herren der Stadt verkehrten. Im Obergeschoß gab es Zimmer für private Vergnügungen, wo der Wein mit nur drei Teilen Wasser vermischt serviert wurde. Das Essen war ausgezeichnet, besser als an Aristodemos’ Tafel. Auch für Gesellschaft war gesorgt, und in dieser Hinsicht wurde allen Neigungen Rechnung getragen.
»Das letztemal hatte ich einen Knaben«, sagte Arrhidaios und streichelte den nackten Rücken des Mädchens, das neben ihm kauerte und so tat, als würde sie sich um den Wein kümmern, dabei aber ihre Brustwarzen an ihm rieb. »Nur mal so zur Abwechslung – Frauen können einem Mann langweilig werden, wenn er sich nicht ab und zu etwas anderes gönnt.«
»Das ist mir noch gar nicht aufgefallen.«
Das Mädchen, das Philipps Beine gewaschen hatte, war gelblich blond wie eine Löwin, und wenn sie sprach, was nicht sehr oft vorkam, dann mit stark ionischer Färbung; sie stammte also wahrscheinlich aus einer der griechischen Städte an der Küste Kleinasiens. Ihre Augen waren groß und braun wie die eines Rehs. Und diese Augen waren es, die Philipp an ihr am besten gefielen. Wenn sie den Kopf hob und ihn anlächelte, schnürte es ihm die Kehle zu.
Arrhidaios runzelte die Stirn.
»Aber du hast natürlich auch noch nie im Exil gelebt. Wenn einer unter Fremden lebt…«
»Ich lebe unter Fremden.« Philipp drückte sanft die Fußsohle gegen den Bauch des Mädchens, um sie wegzuschieben, doch das Gefühl ihrer Haut an seinen Zehen war so angenehm, daß er es nicht tat.
»Ja, aber wenn du nach Hause zurückkehrst, wird man dir nicht die Kehle durchschneiden.«
»Ich glaube nicht, daß ich mich so ganz darauf verlassen kann – zumindest nicht, solange Ptolemaios am Leben ist.«
»Ja, aber ich hätte die Gewißheit.« Seit der Flucht aus Makedonien hatte Arrhidaios zugenommen, sein Doppelkinn war unübersehbar. Beim Sprechen drückte er das Kinn gegen die Brust, und links und rechts seines Halses traten Fettwülste hervor. »Du gehst vielleicht in irgendeiner Palastintrige unter, aber mir würde eine öffentliche Hinrichtung drohen, und meine Leiche würde auf Alexandros’ Grabhügel gekreuzigt werden. Übrigens, Philipp, ich hatte mit dem Mord an
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