Der Maler Gottes
an Euren Worten, Matthias. Lasst mich sehen, was ich für Euch tun kann.«
Reizmann verschränkt die Arme vor der Brust, stützt sein Kinn auf die Faust und schaut aus dem Fenster hinaus auf das Treiben vor dem Stiftsbrunnen.
»Jakob Heller war kürzlich in Geschäften hier. Er sprach davon, dass er einen Maler sucht, der ihm vier Seitentafeln zu seinem Altar malt. Ihr wisst schon, den Altar, der bei Dürer in Auftrag ist. Der Hof hat Schulden bei Heller. Wenn der Frankfurter Kaufmann sich für Euch bei Uriel von Gemmingen verwendet, Euch sozusagen vom Hofdienst ›ausleiht‹, so dürfte der Erzbischof zustimmen müssen. Er kann es sich aufgrund der Finanzlage nicht leisten, den Patrizier vor den Kopf zu stoßen.« Reizmann hält inne, blickt noch immer sinnend aus dem Fenster, vor dem es jetzt laut zugeht. Stimmen sind zu hören, Geschrei und Gekeife. »Hol Euch der Teufel, Büttel. Euch und das ganze erzbischöfliche Gesindel dazu. Leid sind wir es, Euch die dicken Wänste zu füllen, während unsere hungrig bleiben«, schreit einer wutentbrannt. Dann hört man das Klatschen eines Stockes und das Wehgeschrei des Mannes. Auch der Büttel schreit: »Halt’s Maul, Bauer, und fahr deinen Karren zur Burg. Und eil dich, sonst behalten wir dich da. Dich und das restliche Dreckspack, das seine Abgaben nicht pünktlich leistet.« Ein Wagen rumpelt vorbei, die Stimmen werden leiser, verstummen schließlich.
Reizmann seufzt. »Ihr hört, Matthias, die Bauern verweigern der Kirche ihren Teil. Mit immer härteren Mitteln muss das Pack gezwungen werden, zu geben, was der Kirche gehört. Der Erzbischof musste die Anzahl der Herolde, Büttel, Wachmänner und Eintreiber erhöhen. Das alles kostet Geld. Geld, das die Kirche nicht hat. Die Kassen sind leer, der Hof auf den Hund gekommen.« Matthias wundert sich. An den Tafeln und Geselligkeiten, an dem Prunk und Glanz des Hofes ist nicht zu merken, dass die Geldlade, in der nach alter Tradition ein Hund auf den Boden eingraviert ist, leer ist. So leer, dass die Gravur zu sehen, der Hof sprichwörtlich auf den Hund gekommen ist.
Reizmann dreht sich zu Matthias, lächelt über das ganze Gesicht und breitet die Arme aus. »Ein Plus für Euch, Matthias. Von Gemmingen kann Heller den Wunsch, dass Ihr die restlichen Tafeln des Altars malt, nicht abschlagen. Und Heller wird Euch mit Kusshand in seine Dienste nehmen, da bin ich sicher. Der Frankfurter schuldet mir noch einen Gefallen, der hier nichts zur Sache tut. Und der Ärger mit Dürer wird das Seinige dazu beitragen, dass Ihr schon bald Aschaffenburg den Rücken kehren könnt.«
»Und Ihr, Reizmann, was verlangt Ihr dafür von mir?«, fragt Matthias, der längst weiß, dass in dieser Gesellschaft nur der Tod umsonst zu haben ist. Reizmann lächelt wieder, kneift die Augen zusammen. »Eure Freundschaft, Matthias. Und ich verlange sie nicht, ich erbitte sie von Euch.«
»Meiner Freundschaft könnt Ihr gewiss sein, das wisst Ihr«, antwortet Matthias. »Doch lieber wäre mir, ich könnte sie Euch mit einem Bild lohnen.« Reizmann nickt. »Ein Bild für mein Seelenheil? Glaubt Ihr, dass dies so nötig ist?«
Geschickt weicht Matthias aus. »Wir alle sind nicht frei von Sünde«, erwidert er.
Reizmann lacht jetzt. Das Lachen klingt hohl im Raum, wird als höhnisches Echo von den kargen Wänden zurückgeworfen. »Ich werde Euch an Euer Versprechen erinnern, Matthias«, erwidert er. »Doch noch habe ich nicht alle Sünden begangen. Ich werde Euch rufen, wenn es so weit ist.«
13. K APITEL
Wieder einmal passiert Matthias die Stadttore Frankfurts. Und nie ist er dabei wohl so glücklich gewesen wie jetzt, im Frühjahr 1511. Ja, es ist, als sei ihm eine Zentnerlast von den Schultern geglitten. Er atmet frei, ist erlöst von den Erwartungen und Ansprüchen, von den Forderungen und Sitten des Aschaffenburger Hofes. Zusammen mit dem Hofgewand hat er auch die eigene Fremdheit abgestreift. Und allmählich entstehen wieder Bilder in seinem Kopf, der Blick ist nicht mehr der eines Höflings, sondern der eines Malers und Bildschnitzers, der die Welt mit Farben auf Holz oder Leinwand zu bannen gedenkt.
Im Dominikanerkloster bezieht er Quartier, allerdings in einer größeren, komfortableren Kammer als damals, da er hier bei Ratgeb und Holbein am Dominikaneraltar gearbeitet hat. Jetzt wird er die vier Seitenflügel für den Heller-Altar malen.
Der Blick aus seinem Kammerfenster zeigt Matthias die Judengasse am Wollgraben. Matthias sieht
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