Der Maler Gottes
gerissen? Hastig eilte Matthias in seine Kammer und betrachtete sich aufmerksam in dem venezianischen Spiegel, ein Geschenk des Uriel von Gemmingen. Doch er konnte nichts Befremdliches, nichts Lustiges an sich entdecken. Er sah aus wie immer. Erst als er den Umhang ablegte, bemerkte er das daran geheftete Ringelschwänzchen eines Schweines. Wütend war er aus der Kammer geeilt und hatte den Sekretär, in dem er den Übeltäter vermutete, zur Rede gestellt.
»Ein Schweineschwanz an Euerm Rock, sagt Ihr?«, hatte der Sekretär höhnisch und betont unschuldig gefragt. »Ei, wo der wohl hergekommen sein mag? Ja, die Natur spielt manchmal seltsame Streiche, aber letztlich findet wohl doch jeder Topf sein Deckelchen oder…« Der Sekretär hielt inne und verzog seinen Mund zu einem hämischen Grinsen. »… oder sollte ich lieber sagen: jedes Schwein sein Schwänzchen?«
Das Gelächter der anderen dröhnt Matthias noch immer schmerzhaft in den Ohren. Selbst Uriel von Gemmingen hatte seinen Mund verzogen, der Viztum sich kichernd abgewandt.
Jetzt ist er auf dem Weg in das Stift zu Heinrich Reizmann. Seit Matthias auf der Johannisburg lebt, hat er Reizmann oftmals bei den abendlichen Gelagen getroffen, und manchmal war der Kanoniker auch bei einer Jagd dabei.
Am Hofe wurde hinter vorgehaltener Hand über Reizmann getuschelt. Sogar Matthias waren die Gerüchte über die widernatürliche Neigung des Stiftsherrn zu Knaben zu Ohren gekommen. Auch erinnerte er sich an manchen Abend, da Reizmann ihm nach dem Genuss etlicher Becher Wein die Hand vertraulich aufs Knie gelegt hatte. An einer solchen Verbindung zu dem Kanoniker war Matthias nicht gelegen, er suchte bei Reizmann den Rat des Freundes.
»Die Stellung als Hofmaler macht mich krank«, vertraut er ihm wenig später in dessen Gemächern an. »Ich kann mich nicht in die Sitten des Hofes einfinden, alles erscheint mir schal und inhaltslos. Der Kirche wollte ich dienen, nicht der Eitelkeit der Herren, nicht der Spottlust der Höflinge.«
»Ihr seid zu stolz, Matthias«, findet Reizmann. »Ich zu stolz? Nein, nein! Ihr täuscht Euch. Die Leute spotten über mich, lachen mich aus. Wie könnte ich da zu stolz sein?«
»Eben darum, Matthias. Ihr tragt eine unnahbare Miene zur Schau, beteiligt Euch lustlos an den Spielen und der Jagd, zeigt deutlich, dass Euch die Gesellschaft der anderen langweilt. Sie meinen, Ihr dünkt Euch etwas Besseres, deshalb spotten sie.«
»Ja? Ist das so?«, fragt der Maler. »Und wenn schon! Ich passe nicht an einen solchen Hof. Malen will ich, nichts sonst, und Gott dabei dienen. Monatelang schon verweigert mir der Pinsel den Dienst. Ich bin mir selbst fremd geworden hier, kein Bild will mir gelingen, kein Holzblock sein Geheimnis lüften. Helft mir, Reizmann, helft mir, hier wegzukommen, ohne dass es großen Schaden macht. Helft mir, ich bitte Euch, ich kann so nicht länger leben.« Reizmann seufzt und sieht Matthias von oben bis unten wohlgefällig an.
»Es täte mir Leid, auf Eure Gesellschaft verzichten zu müssen, Matthias. Nennt mir einen Grund, warum ich begrüßen sollte, dass Ihr geht.«
»Der Grund heißt Freundschaft. Ihr könnt nicht wollen, dass ich weiterhin unglücklich hier bin, wenn es ist, wie Ihr sagt, wenn Ihr wirklich mein Freund seid.« Reizmann macht ein nachdenkliches Gesicht, scheint zu überlegen. Matthias nimmt all seinen Mut zusammen. So dringend ist sein Bedürfnis, Aschaffenburg und der Johannisburg den Rücken zu kehren, dass er bereit ist, Dinge auszusprechen, die besser verschwiegen blieben. »Reizmann, wenn Ihr mir helft, dass Uriel von Gemmingen mich an einen anderen Auftraggeber ›verleiht‹, so zeigt es dem gesamten Hof, dass die Gerüchte um Euch nichts sind als eben nur Gerüchte.« Reizmann schaut auf. Sein Gesicht verdüstert sich, er kneift die Augen zusammen, zwischen den Lidern funkelt und blitzt es.
»Wie meint Ihr das, Matthias?«
Matthias schluckt und hofft, sich nicht zu weit vorgewagt zu haben. Reizmann zum Feind zu haben kann seine Stellung hier nur noch verschlimmern. Jedes Wort will genau überlegt sein. Deshalb erwidert er vorsichtig: »Jeder weiß, dass ich nicht zuletzt Euch diese Stellung zu verdanken habe. Und beinahe jeder meint, dass ich nicht zum Hofmaler tauge. Empfehlt Ihr mich weiter, so hat der Hof seine liebe Ruh und ich ebenfalls. Keiner kann Euch nachsagen, Ihr hättet mir die Anstellung aus Eigennutz verschafft.«
Reizmanns Gesicht hellt sich auf. »Es ist etwas Wahres
Weitere Kostenlose Bücher