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Der Maler Gottes

Der Maler Gottes

Titel: Der Maler Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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erschöpften Reizmann in die Kutsche, bindet die Wachmänner und den Kutscher los, gibt Befehl zur Weiterfahrt.
    Während der Fahrt erholt sich Reizmann sichtlich von seinem Schrecken. Er klopft sich den Staub von den Kleidern, bedauert den Verlust seines Geldes und seiner Sachen und sagt schließlich: »Die Bauern muss man drücken, sonst drücken sie uns. Der Vorfall hat es bewiesen. Ich werde Beschwerde beim Erzbischof einlegen und dafür sorgen, dass diese Halunken, das Diebsgesindel und Lodderpack, schwer bestraft werden.« Matthias könnte widersprechen, könnte Reizmann von der Armut dieser Leute erzählen, von der Last der Abgaben, vom Hunger der Kinder. Er kennt das alles aus Grünberg. Doch Matthias schweigt. Ich bin Maler, denkt er. Sollen sich die Bauern gegen die Kirche auflehnen, denn was haben sie schon zu verlieren? Ich kann es nicht, bin abhängig von der Obrigkeit, der Kirche auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Erst recht als Hofmaler.
    Zwei Jahre lebt Matthias nun auf der Johannisburg in Aschaffenburg. Alles hat sich verändert, ist anders, als er geglaubt, als er gehofft hatte. Alles ist anders, auch er ist anders geworden. Er trägt jetzt einen Umhang aus schwerer Seide, ein besticktes Samtwams, Beinlinge in verschiedenen Farben, der rechte rot, der linke grün, und auf dem Kopf einen feinen Hut, der mit einer Pfauenfeder geschmückt ist.
    Matthias müht sich, quält sich, ringt. Doch nicht um Bilder geht es bei seinem Ringen, sondern darum, den Erwartungen, die die höfischen Sitten stellen, gerecht zu werden. Doch es gelingt ihm nicht. Plump kommt er sich vor. Plump und ungewandt, wenig zierlich, eher grob und ungeschlacht. Seine Tischsitten unterscheiden sich nicht mehr von denen der anderen, und trotzdem hat Matthias das Gefühl, alles, was er macht, macht er falsch. Seine Kleidung kommt ihm trotz der teuren Stoffe armselig vor, seine Gespräche zu wenig geistreich, zu wenig vornehm, sein Verhalten den Frauen gegenüber zu wenig charmant und galant. Er tut sich schwer mit den Gewohnheiten am Hof, tut sich besonders schwer, weil sie seinem Wesen nicht entsprechen. Es ist, als hafte ihm der Geruch der Grünberger Bauern, der kleinen Werkstatt des Vaters, der Armut noch immer an, soviel er sich auch mit Sandelholzwasser parfümiert. Doch auch im Umgang mit dem Erzbischof selbst, dem Viztum und den anderen hohen Würdenträgern hat er Schwierigkeiten. Sie sprechen eine andere Sprache, ja, die meisten der Gespräche erscheinen Matthias als Geschwätz. Nie geht es dabei um die Dinge, die für ihn wichtig sind, alle Reden sind ihm hohl und oberflächlich. Bringt er einmal ein Thema ein, dann sehen ihn die Herren befremdet an, schlagen ihm auf die Schulter und sagen: »Ja, unser Hofmaler, er schwebt in anderen Welten.«
    Als Hofmaler gehört er zum Gefolge des Erzbischofs Uriel von Gemmingen. Er trinkt, jagt, spielt mit den Herren des Hofes und tanzt und plaudert ungeschickt, verhalten und ohne große Lust mit den Damen bei den abendlichen Geselligkeiten, die allzu oft in regelrechte Gelage ausarten. Kurzum, Matthias fühlt sich unwohl. War Isenheim sein Zuhause, so fühlt er sich auf der Johannisburg als ungelegener Besucher, als einer, der sich in der Anschrift geirrt hat und sich plötzlich in einem falschen Leben wiederfindet.
    All sein halbherziges Mühen nützt ihm nichts, im Gegenteil, sein Unbehagen wächst von Tag zu Tag, so dass er schließlich nicht einmal mehr malen kann. Sein Kopf, in dem die Ideen sonst wie Irrlichter umherflackern, ist leer, seine Hand zu schwer, um die Malwerkzeuge zu halten, sein Willen, seine Besessenheit sind einer dumpfen Melancholie gewichen. So fremd, wie er hier am Hofe ist, so fremd ist er sich selbst geworden. Ein Spielball ist er, ein Spielball der Höflinge, der Bediensteten, der Würdenträger, der Kirche. Unfähig ist er, die Intrigen des Hofes zu durchschauen, sich dagegen zu wehren. Sein ärgster Spötter ist der Sekretär und Kammerdiener des Erzbischofs von Mainz.
    Erst in der vergangenen Woche hat der ihn wieder vor dem gesamten Hof lächerlich gemacht. Matthias spürt noch immer die brennende Scham, als er nach dem Mittagsmahl grüßend über den Innenhof der Burg spazierte, gefolgt von Gekicher, Getuschel und Gewisper, auf das er sich keinen Reim machen konnte. Was war denn los? Warum grinsten die alle so? Sonst waren sie doch auch nicht so freundlich und fröhlich. Was war mit ihm? Hatte er einen Farbfleck auf der Nase, war sein Beinkleid

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