Der Maler Gottes
liegen sie nebeneinander, aufeinander, übereinander auf dem weichen Bett, erfreuen sich aneinander, erfreuen sich an den Händen, am Mund, an der Lust des anderen und werden endlich mit ihren Körpern ganz und gar eins, so eins, dass sie keinen Unterschied mehr spüren zwischen der Haut des anderen und der eigenen, keinen Unterschied spüren in ihrer Lust, sich ineinander finden, miteinander verschmelzen, sich einander hingeben mit allem, was sie haben, mit allem, was sie sind. Später liegt Magdalena in Matthias’ Armen, und sie erzählen sich, was sie in den letzten Jahren erlebt haben, berichten Fakten, doch mit jedem Satz sagen sie sich auch, wie sehr sie einander vermisst, wie sehr sie sich nach dem anderen gesehnt haben.
Als die Dämmerung sich wie ein Schleier über die Stadt legt, zündet Magdalena die Lichter in der Schlafkammer an.
»Ich möchte dich zeichnen. Zeichnen, so wie du bist. Nackt.«
Magdalena zuckt zusammen, bedeckt mit den Händen plötzlich ihre Blöße, Traurigkeit und Enttäuschung verdunkeln ihren Blick. »Was ist?«, fragt Matthias.
»Eine Frau, die ihre Nacktheit öffentlich zur Schau stellt, ist schlimmer als eine Hure«, erwidert sie mit leiser, tränenerstickter Stimme. »Ich dachte, du siehst in mir mehr als das, was ich einst war.«
»Nein! Nein, Magdalena! Denk bitte nicht so!«, fleht Matthias. »Ich bin Maler, möchte deine Schönheit festhalten, möchte diesen wunderbaren Tag mit dir festhalten für immer. Ich liebe dich, Magdalena, liebe dich, wie du bist, wie du warst und wie du sein wirst.«
Er läuft zu ihr, zieht ihr die Arme vom Körper, bedeckt Brüste, Bauch und Gesicht mit Küssen, nimmt sie in die Arme, wiegt sie hin und her. »Magdalena, mir ist, als hätte ich mein Leben lang auf diesen Moment gewartet, ja, als wäre alles, was gewesen ist, nötig, um heute so mit dir zusammen zu sein. Nichts hat mich bisher mehr berührt als du. Du bist ein Teil von mir, das weiß ich ganz genau.« Langsam hebt Magdalena den Kopf, sieht Matthias an. »Nie war ich glücklicher als in diesem Moment«, flüstert Matthias rau. »Es kann und darf keine Sünde sein, dieses Glück festhalten zu wollen.«
Ein zaghaftes Lächeln stiehlt sich bei diesen Worten um Magdalenas Mund. Sie macht sich los, posiert vor ihm, sagt auffordernd: »Hole Papier, hole den Stift. Zeichne mich! Auch ich will diesen Augenblick niemals vergessen.«
»Willst du das wirklich?«, fragt Matthias noch einmal. »Ja! Ich will es, weil ich dich liebe«, erwidert Magdalena mit fester Stimme.
Da holt Matthias sein Skizzenbuch und den Silberstift, setzt sich nackt aufs Bett und sieht Magdalena an. Und die Frau steht vor ihm, ganz entspannt, lächelt plötzlich und wirft mit Schwung ihr Haar auf den Rücken. Sie reckt ihm ihre Brüste entgegen, bietet sie seinem Stift dar, streicht sich über den Leib. Die Befangenheit dauert nur wenige Minuten, dann verwandelt sich Magdalena, verwandelt sich in eine Tänzerin, die sich in selbstvergessener Schönheit vor dem Maler bewegt, ihren Körper darreicht wie ein Geschenk, sich den Blicken, dem Stift hingibt im Spiel und doch um die Ernsthaftigkeit der Handlung weiß. Schweiß glänzt auf ihrem nackten Körper.
Er schimmert wie eingeölt und riecht nach Moschus und Salz. Der süße Duft ihres Schweißes. Während Matthias auf dem Bett sitzt und zeichnet, steigt er ihm in die Nase und stiehlt sich tief in seine Lungen. Die Nähe zwischen ihnen, zwischen Maler und Modell, ist so stark, so greifbar, dass sie das ganze Zimmer auszufüllen scheint. Es ist, als würden sie sich auf eine ganz besondere Art lieben, im vollkommenen Einklang zur Musik eines schwerelosen Tanzes. Sie sprechen nicht. Magdalena posiert und scheint zu ahnen, was Matthias will, ohne dass er es ausspricht. Er sitzt und zeichnet und reagiert auf jede Bewegung Magdalenas. Und die Frau lockt und schmeichelt.
»Schau mich an. Küss mich hier! Berühre mich da!«, scheinen ihr Körper, ihre Bewegungen dem Maler zuzurufen.
Matthias gerät ins Schwitzen, beinahe schon kann er den Stift nicht mehr in den zitternden, feuchten Händen halten.
Matthias sieht eine Magdalena von geradezu himmlischer Schönheit. Ihr Mund eine aufblühende Rose, darüber die Narbe als einziger Dorn, ihre Brüste zwei reife, duftende Äpfel, ihr Schoß eine Lilienblüte von unglaublicher Zartheit, die Schenkel zwei griechische Säulen, die Arme Adlerschwingen, die sich hoch in die Lüfte erheben, dem Himmel zu.
Matthias’ Hand
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