Der Maler und die Lady (German Edition)
ist immer eine passende Entschuldigung. Zu schade nur, dass es ‚morgen‘ meistens zu spät ist.“
Verschwunden waren die Wärme, das innere Feuer, das ihm so sehr an ihr gefallen hatte. Ein einziges Mal hatte er diesen Ausdruck in ihrem Gesicht gesehen, damals, als Stuart sie in eine Ecke gedrängt und ihr den Fluchtweg abgeschnitten hatte. Stuart hatte seine körperliche Überlegenheit ins Feld geführt. Der emotionale Druck, den Anatole ausgeübt hatte, war ebenso unverzeihlich. „Es tut mir leid, Lara. Ich hätte dir heute morgen alles erklären sollen, dann stünden wir uns jetzt nicht so feindlich gegenüber.“
„Ich will deine Entschuldigung nicht.“ Tränen traten ihr in die Augen. Sie hatte alles geopfert, und nun war auch noch ihr Stolz dahin. „Ich glaubte, den Mann gefunden zu haben, mit dem ich mein Leben teilen wollte. Es war Liebe auf den ersten Blick. Keine Fragen, keine Zweifel. Ich glaubte alles, was du sagtest, und ich gab dir alles, was ich hatte. Niemals zuvor habe ich es einem Menschen gestattet, mich so bis ins Innerste kennenzulernen. Mit allem, was ich bin, gabich mich dir in die Hand, und du hast mich benutzt.“ Lara wandte sich ab und lehnte das Gesicht an den Bettpfosten.
Es stimmte, was sie sagte, Anatole konnte es nicht leugnen. Er hatte sie benutzt, wie Stuart und Melanie sie benutzt hatten. Dass er sie liebte, machte dabei keinen Unterschied, und doch musste er sich die Hoffnung bewahren, dass es gerade die Liebe war, die alles änderte.
„Lara.“ Es kostete ihn große Mühe, nicht zu ihr zu gehen und sie zu trösten. Sein Trost wäre nur Selbstzweck, wenn er die Arme um sie legte. „Alles, was du mir vorwirfst, habe ich mir bereits selbst gesagt. Ich kam hierher, um einen Job zu erledigen, aber dann habe ich mich in dich verliebt. Das konnte auch ich nicht ahnen. Ich weiß, ich habe dir weh getan. Leider lässt sich die Zeit nicht zurückdrehen.“
„Erwartest du von mir, dass ich dir in die Arme sinke? Erwartest du allen Ernstes, von mir zu hören, dass nichts außer uns zählt?“ Sie wandte ihm das Gesicht zu. Die Wangen waren noch immer tränenfeucht, aber ihr Blick war jetzt klar. „Es zählt sehr wohl“, sagte sie gleichmütig. „Dein Job ist beendet, Anatole. Du hast den Rembrandt gefunden. Und nun verschwinde.“
„Du kannst mich nicht aus deinem Leben verbannen.“
„Das hast du mit mir bereits getan.“
„Nein.“ Wut und Verzweiflung gewannen die Oberhand. Anatole packte sie am Arm und riss sie an sich. „Nein, irgendwann wirst du einsehen müssen, wie die Dinge wirklich liegen, denn ich komme zurück.“ Mit zitternden Händen fuhr er durch ihr Haar. „Du kannst mich strafen, Lara, mich büßen lassen, aber ich komme wieder.“
Ehe der Zorn ihn zu weit trieb, drehte er sich um und ließ sie allein.
Fairchild erwartete Anatole. Ruhig saß er im Wohnzimmer am Kamin. „Ich nahm an, Sie würden das brauchen.“ Ohne sich zu erheben, wies er auf den Scotch neben sich auf dem Tisch. Er wartete, bis Anatole ausgetrunken hatte. Man brauchte Philip Fairchild nicht zu erklären, was zwischen seiner Tochter und Anatole vorgefallen war. „Es tut mir leid, aber sie ist verletzt. Vielleicht heilt die Zeit die Wunden und macht Lara für ein vernünftiges Gespräch zugänglich.“
Anatoles Handknöchel traten weiß hervor, während er das Glas festhielt. „Das habe ich ihr auch gesagt, aber sie glaubt mir nicht. Ichhabe Lara verraten.“ Er sah den älteren Mann an. „Und Sie auch.“
„Sie haben getan, was man von Ihnen erwartete. Sie mussten eine Rolle spielen.“ Fairchild spreizte die Hände auf den Knien und betrachtete eingehend die Finger. Er überdachte den eigenen Anteil an diesem Drama. „Unter anderen Umständen wäre Lara damit fertig geworden, Anatole. Sie ist stark. Aber selbst bei ihr ist irgendwann die Grenze erreicht. Melanie … nach allem, was mit Melanie war, konnte sie das mit Ihnen so schnell nicht verkraften.“
„Lara lässt sich nicht von mir trösten.“ Die Erinnerung an den Schmerz in ihren Augen überwältigte ihn. „Sie ist zutiefst verletzt, und meine Anwesenheit macht alles nur noch schlimmer.“ Anatole nahm sich zusammen und blickte wie blind durch die Scheibe. „Ich gehe, sobald ich gepackt habe.“ Er wandte den Kopf und sah den kleinen Mann mit dem schütteren Haar an. „Philip, ich liebe Lara.“
Schweigend blickte Fairchild Anatole an. Zum ersten Mal in seinem sechzigjährigen Leben fühlte er sich alt.
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