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Der Mammutfriedhof

Der Mammutfriedhof

Titel: Der Mammutfriedhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans W. Wiener
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die Sonne am Morgen ihre neue Bahn beginnt und die Erde erwärmt!«
    Mythor war noch misstrauisch. »Warum tust du das alles?« fragte er. »Weißt du etwas von unserer Reise, von unserer Aufgabe?«
    Sanderholm lächelte nachsichtig. Hunderte von Falten spielten um seine Augen und seine Mundwinkel.
    »Ich weiß alles«, behauptete er. »Ich weiß auch, was Sklutur einst König Carnen von Nyrngor versprochen hat. Nur deshalb bin ich hier, und nur deshalb werde ich euch den Weg durch den Mammutfriedhof zeigen!«
    Elivara blickte überrascht auf. »Du weißt von der Abmachung?« fragte sie.
    »Ich weiß alles über Sklutur«, antwortete Sanderholm.
    »Es wird erzählt, Sanderholm sei stumm«, warf Mythor ein. »Noch nie hat ihn jemand sprechen hören. Wie kommt es, dass du dich mit mir unterhalten kannst, wenn du stumm bist?«
    »Mich hat noch nie jemand sprechen hören, weil ich niemandem etwas zu sagen hatte«, erwiderte Sanderholm kurz.
    »Lasst uns nicht zu lange zögern«, drängte Elivara. »Je eher wir den Beinernen erreichen, umso eher kann die Hilfe mein Volk retten!«
    »Ja, wir müssen aufbrechen«, bestätigte Sanderholm. »Es wird Zeit.«
    »Erzähl mir, wer ist Sklutur der Beinerne?« forderte Mythor.
    »Später«, versprach der Schlafende Fischer.
    *
    Von weitem glich der Mammutfriedhof dichtem Unterholz. Im fahlen Licht des Mondes türmten sich die Knochen übereinander wie das bizarre Gewirr abgestorbener Zweige und Äste. Ein ständiges Knacken und Brechen lag in der Luft. Es war das Geräusch von berstenden und aneinanderreihenden Knochen.
    Dazu erscholl ein Jaulen und Pfeifen. Mal klang es schrill und aufpeitschend, mal dumpf und wehmütig. Ständig veränderte sich die Tonhöhe.
    »Hört ihr?« flüsterte Sanderholm. »Das ist das Lied des Windes. Er spielt auf den hohlen Knochen seine feine Melodie. Wer es versteht, sie richtig zu hören, wird sie lieben und niemals mehr von ihr loskommen. Sie enthält eine geheime Botschaft!«
    »Was ist das für eine Botschaft?« fragte Elivara.
    Sanderholm lächelte milde. »Hör zu!« riet er.
    Nachdem sie die Pfahlstadt verlassen hatten, ging ihr Weg sehr schnell steil bergan. Sie erklommen die Knochenhügel wie den lockeren und ständig nachgebenden Geröllabhang eines Berges. Immer wieder gerieten die aufgetürmten Knochen ins Rutschen und zogen die Wanderer mit sich.
    Sanderholm führte Mythor und Elivara und schritt sicher, schnell und gewandt aus. Seine nackten Füße ertasteten geschickt den besten Halt. Von Zeit zu Zeit blieb er stehen und wartete auf Mythor und die Königin, die sich beide noch nicht an den nachgebenden Untergrund gewöhnt hatten und dem Führer nur schwer folgen konnten. Erst bei Sonnenaufgang gelang es Mythor schließlich, sich auf gleicher Höhe mit Sanderholm zu halten.
    In der Nacht, beim milchigen Licht des Mondes, hatte sich Mythor mehr darauf beschränkt, den richtigen Halt für seine Schritte zu suchen. Doch als die Sonne am östlichen Horizont erschien und warme, helle Strahlen sandte, hatte er Zeit, sich umzusehen. Es bot sich ihm ein phantastisches Bild.
    Schier endlos erstreckte sich der Mammutfriedhof in das Land hinein. Soweit der Blick auch reichte, entdeckte das Auge nichts anderes als bleiche Knochen und Schädel. Teilweise hatten sich weite Täler gebildet und Berge, die so hoch waren, dass man sie nicht überblicken konnte. Skelett lag an Skelett und Knochen an Knochen. Bei jedem Schritt krachten die Gebeine und schufen eine unheimliche Begleitmusik zu dem Jaulen und Pfeifen des Windes. Den Boden konnte Mythor an keiner Stelle entdecken. Die Knochenschicht musste mehrere Schritt dick sein. Eine riesige Anzahl von Mammuts war hier verendet.
    Plötzlich blieb Sanderholm stehen und hielt auch seine beiden Begleiter an. Er schloss die Augen, legte beide Hände trichterförmig hinter die Ohren und lauschte. »Das ist wieder eins«, murmelte er leise.
    Von weit aus der Ferne drang ein leises Stöhnen und Ächzen. Nur hin und wieder wurde es vom lauten Krachen brechender Knochen übertönt. Dazwischen mischte sich ein Ton wie von einer gewaltigen Fanfare.
    »Sie kommen von weit her«, erklärte Sanderholm. »Sie wandern manchmal jahrelang. Nur um hier zu sterben!«
    »Ein Mammut?« fragte Elivara.
    Der Schlafende Fischer nickte. »Es muss ein gewaltiger Kerl sein«, sagte er.
    »Was ist das für eine Macht, die die Tiere hierhertreibt?« fragte Elivara. »Wer leitet sie?«
    Sanderholm hob die mageren Schultern.

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