Der Mammutfriedhof
sein«, sagte er. Er überschritt die Schwelle und betrat den Raum. Im nächsten Augenblick prallte er entsetzt zurück.
Elivara schrie auf. Sie presste eine Hand vor den Mund und taumelte zurück. Sie stolperte und fiel. »Nein!« schrie sie. Ihre Stimme überschlug sich.
An dünnen Fäden hingen von der Decke herab die abgetrennten Köpfe Kalathees, Nottrs und Sadagars. Sie pendelten leicht hin und her. Ihre Augen waren weit aufgerissen und blickten starr und kalt auf die Ankömmlinge. Grelles, vibrierendes Licht beleuchtete die Szene.
»Das kann nicht sein«, flüsterte Elivara leise. Sie zitterte am ganzen Körper.
Nottrs Lippen bewegten sich. Er entblößte seine großen gelben Zähne und grinste höhnisch. Ein Blutfaden lief aus seinem Mundwinkel. Auch Kalathee und Sadagar grinsten. Ein schrilles, unwirkliches Kichern drang über ihre bleichen Lippen. Gleichzeitig begannen die Fäden, an denen die Köpfe hingen, zu schwingen. Eine unsichtbare Macht bewegte sie. Dabei entstand ein dumpfes Dröhnen, das die Wände der Hütte zum Vibrieren brachte. Immer mehr näherten sich die abgetrennten Köpfe dem Gesicht Mythors, der wie erstarrt auf der Türschwelle stand. Die toten Lippen Kalathees spitzten sich, als wollten sie Mythor küssen.
Nottr begann zu sprechen. Hohl und dumpf rollten die Worte über seine bleichen, blutverschmierten Lippen. »Wir begrüßen dich, Mythor, Held der Lichtwelt!«
Die Worte gingen unter in schallendem Gelächter von Kalathee und Sadagar. Als vielfaches Echo wurde es von den knöchernen Wänden der Hütte zurückgeworfen und verlor sich in den verwinkelten Gebäuden der Geisterstadt.
»Küss mich!« lockte Kalathee. Ihr abgetrennter Kopf schwang dicht an Mythor heran. Totenbleiche Augenlider legten sich über die blutunterlaufenen Augen. Die kalten blauen Lippen öffneten sich.
Mythor wich zurück und riss gleichzeitig sein Schwert aus der Gürtelschlaufe. Mit einem einzigen Hieb durchtrennte er die dünnen Fäden, die die Köpfe hielten.
Eine gelbliche, stinkende Wolke explodierte in der Mitte des Raumes. Die Köpfe verschwanden, aber das schrille Gelächter blieb. Es kam von allen Seiten.
Der Gestank des gelben Rauches trieb Mythor aus der Hütte.
Er schlug die Tür hinter sich zu und riss Elivara wieder auf die Beine, die zusammengekauert auf dem Boden gehockt hatte.
»Hier können wir keine Hilfe mehr erwarten«, sagte Mythor. »Wir kommen zu spät!«
»Dieses Gelächter«, rief Elivara und presste beide Hände gegen den Kopf. »Ich halte es nicht aus. Woher kommt das? Wer ist das?«
»Das bin ich!« kam die Antwort. Das Gelächter verstummte.
Nur fünf Schritte von Mythor und Elivara entfernt stand eine hohe Gestalt. Sie war mit einem weiten blauen Umhang bekleidet und trug einen langen, bis zum Boden reichenden Schal. Krallige, verknöcherte Hände ragten aus den weiten Ärmeln des Umhangs. Auf dem Kopf trug sie eine hohe Knochenkrone aus Schädeln und ineinander verflochtenem, spitzem Gehörn, dazu um den Hals eine Kette aus Krallen, Zähnen und Knochenplatten. An einer Stelle klaffte der weite blaue Umhang auf. Auch dort schimmerten bleich Knochen und Schädel auf, die zum Teil Hörner trugen. Bei jeder Bewegung der Gestalt schlugen die Gebeine gegeneinander und spielten eine unwirkliche Melodie.
»Sklutur der Beinerne«, flüsterte Elivara.
Die Gestalt schien die Worte gehört zu haben, denn wieder brach das schrille, kreischende Gelächter los. Das Gesicht Skluturs wirkte verzerrt und wie von einem schrecklichen Feuer entstellt. Es leuchtete rot und hatte nichts Menschliches an sich.
Plötzlich lief ein Zittern durch den Beinernen. Sein Gesicht verzerrte sich noch mehr und wurde zu einer wahnwitzigen Fratze. Seine krallenartigen Finger verkrampften sich in dem langen Schal und zerrten und rissen an der Kleidung.
Gleichzeitig bewegten sich die Knochen, die um ihn herumlagen. Von einer magischen Gewalt getrieben, fanden sich Beinknochen zueinander, fügten sich an herumliegende Hüftknochen und bildeten groteske Skelette, die sich aufrichteten und klappernd auf Mythor und Elivara zustrebten. Überall bildeten sich neue Skelette, und eine ganze Armee entstand aus den toten Gebeinen des Mammutfriedhofs.
Mythor zog Elivara hinter sich und hob sein Schwert. Als das Klagen der Waffe das Gelächter des Beinernen übertönte, schrie Sklutur auf und brach zusammen. Er wälzte sich auf dem Boden, schlug mit den Armen in der Luft und stieß ein fürchterliches Jaulen
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