Der Mann auf dem blauen Fahrrad
gebraten, das ein wenig den Eindruck machte, aus der Schmiergrube in einer der wenigen überlebenden Autowerkstätten zu stammen.
Aber jetzt schreiben wir das Jahr 1953 und die Welt ist frei, das heißt, dieser Teil der Welt. Nicht weit entfernt, auf der anderen Seite der Ostsee, herrscht etwas, das am ehesten als ein eben noch glühend heißer, jetzt nur langsam abkühlender Höllenkreis der Volksumsiedlungen und Demütigungen beschrieben werden kann, wie ihn sich die Menschen hier schwer vorstellen können. Hin und wieder zieht Brandgeruch von der Ostsee ins Land. Etwas brennt, aber man weiß nicht, was. Wälder? Gebäude? Oder was?
Kurz gesagt, 1953 ist, was man die Nachkriegszeit nennt.
Eigentlich eine komische Zeit. Natürlich kann man sich fragen: Ist nicht jede Zeit eine Nachkriegszeit? Wenn es, was Gott verhüte, keine Vorkriegszeit ist. So viel Elend ist über die Welt hereingebrochen, und so viele Menschen haben es, falls sie noch leben, so viel schwerer gehabt als dieser Mann in den Vierzigern auf diesem eigentümlich schwer beladenen blauen Fahrrad mit hart aufgepumpten Ballonreifen, der an dem Kleine-Boote-Hafen vorbeiradelt. Er hat es eilig, die Adern an seiner Stirn treten hervor, er will mit dem Fahrrad und der großen Tasche auf dem Gepäckträger den gelben Schienenbus um 7.40 Uhr erreichen, um nach Kolbäck zu gelangen. Und dann hinaus in das laubwaldreiche Mälar-Tal. Wo jedoch die meisten Blätter schon von den Bäumen gefallen sind. Auf die leeren, von Vieh zertrampelten Felder.
Bei solchen Expeditionen gilt es, früh aufzubrechen, wenn man etwas erreichen will. Im Bahnhof von Västerås steht schon eine solide Dampflok und stößt fauchend zwei Wasserdampf-Schnurrbärte aus, die sich über den asphaltierten Bahnsteig ausbreiten, so dass es aussieht, als hätte ein Riese darauf gespuckt. Und hinter der Lok hängt eine lange Reihe brauner Personenwagen, ganz vorn die Erste-Klasse-Abteile, darin Oberingenieure, die zu einer Tagung nach Stockholm wollen, in der zweiten Klasse Damen, die zu einer Konferenz des Roten Kreuzes unterwegs sind, und ein vereinzelter Tourist mit Kamera und Golfhosen, und zuletzt kommen die vielen Dritte-Klasse-Waggons, wo die Reisenden Körbe mit Butterbrotpäckchen und Thermosflaschen dabeihaben. Und einige Flaschen, deren Inhalt wir lieber nicht erforschen wollen.
Jan V. Friberg hat diese kleine Reise schon oft gemacht. Geübt achtet er darauf, dass das blaue Fahrrad mit der großen Demonstrationstasche ordentlich im Gepäckabteil des gelben Schienenbusses verstaut wird. Es gilt, dafür zu sorgen, dass es nicht allzu weit hinten zwischen allen möglichen schweren und unförmigen Dingen landet, die gewisse Menschen unbedingt mitschleppen wollen. Letzte Woche hatten er und Schaffner Jansson, den er gut kennt, eine höllische Mühe, das Fahrrad mit dem Gepäck von einem großen, überflüssigen Rasenmäherungetüm loszubekommen. Wobei Jan es nicht versäumte, diesem einen so nachdrücklichen Abschiedstritt zu verpassen, dass der normalerweise gutmütige Jansson ihn etwas verwundert anschaute.
Obwohl das Fahrrad nur zwei Stationen mit dem Schienenbus befördert werden soll, vorbei an Dingtuna nach Kolbäck, wo der düstere Kolbäcksån und mit ihm der Strömholms-Kanal kurz davor sind, in den Mälaren abzufließen, soll dieses Fahrrad mit einem ordentlich beschrifteten Adresszettel versehen werden, der mit Draht am rechten Lenkergriff befestigt wird. Immer am rechten Lenkergriff. Was würde geschehen, wenn irgend jemand vom Bahnhofspersonal ihn aus Versehen oder Bosheit am linken anbringen würde?
Aus den allzu vielen Taschen der Sportjacke gelingt es ihm schließlich, die zerknautschte Zigarettenschachtel hervorzukramen, die Marke Robin Hood ist es offenbar diesmal, da die Bill zu teuer sind, und er stellt fest, dass eine Zigarette in der Mitte zerbrochen und die andere einigermaßen heil geblieben ist. Sparsam, wie er ist, begnügt Janne sich mit einer abgebrochenen Hälfte.
Dies ist kein richtig guter Morgen in Janne Fribergs Leben. Dinge sind geschehen, die ihm das Gefühl geben, einsam, verlassen und an sich sinnlos zu sein.
Noch gierig das wenige inhalierend, das der abgebrochene Stummel hergibt, setzt sich Janne in das muffige Raucherabteil des Schienenbusses und versucht, durch das beschlagene Fenster hinauszuschauen. Am Hauptbürogebäude von ASEA, einem mächtigen Märchenturm mit Uhren in alle Richtungen, zeigt die große Uhr an, dass noch zwei Minuten
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