Der Mann auf dem Einhorn
Luft. Kleinere Brocken polterten vom Gerüst hinunter und landeten im Schutt. Die Wildländer sahen nicht auf, als ihr Herr und Meister immer höher stieg, der Fremde hinter ihm her.
»Was soll ich tun?« fragte er, als sie fast am höchsten Punkt der Gerüste angelangt waren.
»Du bist kräftig, wie?«
Mythor begann in dem Wind, der den Hang heraufpfiff, zu frösteln. Zwei zusammengebundene Leitern führten hinauf in eine Kerbe am Rand des Hochplateaus.
»Ich denke schon!« rief er zurück. Er drehte sich herum und betrachtete die Stirnen, die Ohren und die scharf vorspringenden Nasen der Gesichter. Es waren Köpfe, die Männer in jedem Alter zeigen sollten, darüber hinaus sollte der Ausdruck eines jeden Gesichts wohl demjenigen eines Caer-Priesters gleichen.
»Dann hilf denen mit den Keilen. Der Lichtbote wird dich reich belohnen. Nicht so reich wie mich, aber.«
Der Rest seiner Worte ging in einem undeutlichen Gemurmel unter. Er deutete auf die Gruppe der Arbeiter. Sie waren vom Eifer des Alten angesteckt worden, denn sie arbeiteten ganz ohne Zwang in beträchtlichem Tempo. Kaum jemals sprach einer mit dem anderen.
»He! Ihr dort, am siebten Kopf. Setzt die Keile ein! Schlagt sie fest, ehe das Wasser wieder gefriert!« schrie Urzuguhr hinunter.
Die Hämmer schlugen zu und trieben die langen Dreiecke aus Holz in die Spalten des Felsens. Ein großes Stück sollte fast senkrecht abgeschnitten werden - eine Arbeit, für die Hammer und Meißel mondelang zu tun haben würden.
»Ich werde ihnen gleich helfen«, versprach Mythor. »Aber zuerst sehe ich mich um, wenn du es erlaubst.«
»Nur zu, junger Freund.«
Noch herrschte das klare Licht des frühen Tages, und weit in der Ferne, über den Baumkronen und jenseits des Schnees, sah Mythor das Gebiet, durch das er in den letzten Tagen geirrt war. Er kletterte die Leiter hinauf und stand am Rand einer fast völlig ebenen Fläche. Auch sie war rund und kleiner als der Durchmesser des Berges an seinem Fuß. Nur ein paar Eisplatten und Schneereste waren auf der tischflachen Platte zu sehen. Heulend trieb der Wind Schnee über den Tafelberg.
Mythor hob die Hand an die Augen und sah tatsächlich undeutlich und weit in der Ferne die Felsnadelgruppe, in deren Nähe Kalathee, Nottr und Steinmann Sadagar auf ihn warteten.
»Ihr werdet nicht lange warten müssen«, murmelte er. »Ich glaube nicht, dass ich lange hierbleibe.«
Was sollte er tun? War er nicht mit allen Waffen - wozu auch die drei Tiere zählten - ausgerüstet, konnte er nicht erfolgreich gegen die Mächte der Dunkelzone kämpfen. Er allein war gegen sie machtlos. Sie würden ihn zertreten wie ein Insekt unter dem Stiefelabsatz.
»Ich komme!« rief er nach unten und machte sich an den Abstieg. Einen ganzen Tag lang half er den schweigsamen Wildländern. Sie schlugen nach Urzuguhrs Anweisungen vier große Stücke Fels aus der Wand. Undeutlich begannen sich die Umrisse eines neuen Kopfes abzuzeichnen. Einmal sah er, in luftiger Höhe am Gerüst hängend und den Hammer schwingend, wie eine Gruppe Jäger erlegtes Rotwild, an Stangen gebunden, in die Höhle hineinschleppte.
Bei Einbruch der Dämmerung zogen sich die Arbeiter aus der Felswand zurück. Sie schleppten ihre Werkzeuge mit sich und verloren sich rasch in den vielen kleinen Nischen der Höhlen. Über einigen Feuern drehten sich die Bratenstücke. Im Feuer wurden die Spitzen der Meißel gehärtet.
Mit pendelnden Armen hinkte Urzuguhr auf Mythor zu und fragte einfältig: »Gefällt dir die Arbeit, Fremder?«
»Nicht übel«, gab Mythor zu, nahm aber die Hand nicht vom Schwertgriff. »Ich habe dadurch Wärme, Essen und ein Nachtlager. Wie viele Dutzend Jahre wirst du noch Gesichter in den Felsen schlagen?«
»Bis ich fertig bin, hihi«, lachte Urzuguhr. »Der Lichtbote will nur beste Arbeit. Es kann lange dauern.«
Er war wohl wirklich verrückt. Wie ein Kobold sprang er mit seinem missgestalteten Körper in den drei Höhlen umher und sprach kurz mit seinen Untertanen oder Mitarbeitern. Es herrschte jedoch nicht der geringste Zwang, denn etwa zweieinhalbhundert Wildländer würden Urzuguhr mühelos überwältigen können. Aber auch von Schwarzer Magie merkte Mythor hier nichts. Vielleicht war es die Idee, die alle zusammenhielt und gemeinsam arbeiten ließ.
»Es wird lange dauern, verlass dich darauf«, sagte Mythor und lachte kurz. »Woher hast du den Auftrag?«
»Weiß nicht mehr. Vielleicht ein Traum«, wich der Bildhauer aus und hob die
Weitere Kostenlose Bücher