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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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zusammengesunken darin, einen Drink in der Hand. Er blickte ohne einen Anflug von Überraschung zu mir auf.
    »Schön, dich zu sehen«, sagte er. »Schenk dir was zu trinken ein.«
    Ich sah einen großen gelben Notizblock auf seinem Schreibtisch, nahm einen Stift und schrieb:
Wo ist Amelia?
    Er hielt sich den Block vor die Augen und führte ihn posaunenartig vor und zurück, um die Schrift zu fokussieren.
    »Sie ist fort.«
    Ich nahm den Block wieder an mich.
Wo ist sie hin?
    Das schien ihm den Rest zu geben. Er machte die Augen zu, so lange, dass ich schon dachte, er wäre mir weggedämmert. Dann räusperte er sich.
    »Ich habe sie fortgeschickt. An einen sicheren Ort. Ich glaube, sie wollte dich anrufen, aber … na ja, das ist irgendwie schwierig, weißt du?«
    Er leerte sein Glas und stellte es auf dem Tisch ab. Ganz vorsichtig, als würde ihn das sein letztes bisschen Kraft und Koordinationsvermögen kosten. Ich musste daran denken, wie ich ihn zum ersten Mal dort in diesem Chefsessel gesehen hatte. Den knackig gebräunten Mann in Trägerhemd und Shorts mit seinen perfekten Zähnen, der protzigen Armbanduhr, dem Fünfzig-Dollar-Haarschnitt. Voller Selbstherrlichkeit und großer Worte damals, und jetzt hatte er solche Angst, dass er kaum das Zittern seiner Hände beherrschen konnte.
    »Wenn ich mit ihr spreche, werde ich ihr … Ich meine, ich werde ein gutes Wort für dich einlegen. Ihr sagen, dass du mir hilfst und dass sie bald nach Hause kommen kann.«
    Ich ging hinüber zu der mächtigen Schwanzflosse des Fisches. Wie er dort in der zersprungenen Scheibe steckte, sah es aus, als wollte er von hier fliehen. Ein überaus verständlicher Wunsch.
    »Außerdem musst du dich jetzt auf deine Aufgabe konzentrieren«, sagte Mr. Marsh. »Es ist sehr wichtig für mich, dass du dein Bestes gibst. Verstehst du?«
    Ohne ihn auch nur anzusehen, ging ich zur Tür.
    »Sie bringen mich um.«
    Ich blieb stehen.
    »Das musst du mir glauben, Michael. Sie bringen mich garantiert um. Beziehungsweise, wenn sie meinen, dass ich ihnen lebend nützlicher bin, schaden sie möglicherweise Adam. Beenden seine Footballkarriere.«
    Er sprach tonlos, ohne jede Emotion.
    »Oder Amelia …«
    Nein. Sag es nicht.
    »Ich will gar nicht daran denken, was sie ihr antun könnten.«
    Das ist nicht wahr, dachte ich. Das ist schlimmer als ein Alptraum.
    »Es ist schrecklich, dich damit zu belasten«, sagte er, »aber mir bleibt nichts anderes übrig.«
    Mehr sagte er nicht.
    Das brauchte er auch nicht.

[home]
    Kapitel zweiundzwanzig
    Ohio
September 2000
    D er Ghost hatte sich unmissverständlich ausgedrückt. Ich wusste Bescheid. Wenn der rote Pager losgeht, rufst du die Nummer so schnell an, wie man nur ein Telefon zur Hand nehmen und eine Nummer wählen kann.
    »Das ging ja flott«, sagte die Stimme. Ein rauhes Organ, das ich von irgendwoher kannte. »Guter Junge. Schreib dir alles auf, denn ich sage es nur einmal. Du musst nach Cleveland. Wir werden am Freitagmorgen in aller Herrgottsfrühe dort sein, das heißt gegen acht. Demnach hast du, Moment, zweieinhalb Tage, um dorthin zu kommen. Das ist die Adresse …«
    Ich schrieb mir Straße und Hausnummer auf.
    »Es ist eine Bar. Ein Restaurant, egal. Geh einfach rein und warte, bis wir da sind. Ach ja, noch eine Kleinigkeit. Die Lage ist ein bisschen heiß im Moment, deshalb kommt Fliegen nicht in Frage. Kapiert? Steig nicht in einen Scheißflieger. Haben wir uns da verstanden?«
    Er schien auf eine Antwort zu warten.
    »Kannst du vielleicht mal eine gottverdammte Taste drücken oder so was? Einmal für ja, zweimal für nein, wie wär’s damit?«
    Ich drückte eine Taste. Einmal.
    »Sehr schön. Wir haben einen Weg gefunden, uns zu verständigen. Dann sehen wir uns also in Ohio. Die Fahrt dahin wird für mich auch nicht lustiger als für dich, das kannst du mir glauben. Also mecker mich bloß nicht an deswegen.«
    Er legte auf. Ich starrte die Adresse auf dem Block an. Dann riss ich sie ab, steckte sie in die Hosentasche und schrieb etwas auf die nächste Seite.
    Ich muss weg. Bin in ein paar Tagen zurück.
    Ich legte den Block auf den Tisch, wo sie ihn sehen würden, sobald sie hier hinten nach mir suchten.
    Ein paar Sachen hatte ich schnell zusammengepackt. Dann machte ich mich auf den Weg.
     
    Ohio lag über dreitausend Kilometer weit weg. Ein höllischer Trip, aber ich sah nicht, wie ich mich der Sache entziehen konnte. Bei Sonnenuntergang war ich in Las Vegas, und kurz hinter

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