Der Mann aus dem Safe
holte tief Luft.
»Wie du siehst, wurde diesem Tresor Gewalt angetan. Da wollte jemand mit verschiedenen brachialen Methoden des Aufbrechens experimentieren. Auf dieser Seite erkennst du rohe Kraft am Werk – das verdammte Ding tatsächlich aufzuschneiden, als wäre es ’ne große Blechdose. Dann den Beton rauszumeißeln. Das muss Tage gedauert haben.«
Er ging zur Rückseite.
»Hier ein Hochgeschwindigkeits-Scheibenschneider. Braucht ebenfalls viel Zeit, macht viel Lärm. Hier drüben nun …«
Er ging zu dem Rechteck mit den schwarzen Rändern, wollte die Hand hineinlegen und zog sie dann hastig zurück, als wäre das Metall immer noch feuerflüssig.
»Man kann einen Gasschweißbrenner einsetzen, um in den Stahl zu schneiden wie hier. Das bedeutet aber natürlich, dass man einen großen Brennstoffbehälter und eine Sauerstoffflasche heranschleppen muss. Eine Sauerstofflanze wird noch heißer, bis zu dreitausend Grad. Ist dir klar, was das für Temperaturen sind? Wenn etwas in dem Tresor liegt, was glaubst du, wie die Chancen stehen, dass es nicht ein Häufchen Asche ist, bis du da durch bist? Herrgott, du kannst das ganze Gebäude dabei abfackeln.«
Er schüttelte den Kopf, dann ging er zur Vorderseite herum.
»Hier hat unser Panzerknacker gebohrt. Was zumindest ein bisschen Intelligenz erfordert. Ein bisschen Finesse. Ich meine, man muss schon genau wissen, wo man bohrt, um den ganzen Schließmechanismus zu umgehen. Der ist bei jedem Safe anders. Manche haben heutzutage auch spezielle Schutzplatten, die das Bohren sehr erschweren, so dass man in einem ganz anderen Winkel ansetzen muss.«
Endlich wagte er es, den Tresor anzufassen, und steckte einen Finger in eines der oberen Bohrlöcher. Dann kniete er sich vor das Schloss.
»Bei manchen Safes kannst du die Nummernscheibe ausstanzen.« Er zog die Scheibe einfach ab und gab sie mir. Ich bemerkte die Scharten am Rand, wo sie herausgehebelt worden war.
»Bei älteren Safes kann man immer noch Sprengstoff einsetzen«, dozierte er weiter und fuhr mit der Hand an der Türkante entlang. »Gelatinedynamit, Plastiksprengstoff, wirkt ähnlich wie Nitro. Nur ein kleines bisschen an der richtigen Stelle, einen Pfropfen nennen sie das, und du bist im Geschäft, vorausgesetzt natürlich, du pustest dir nicht die Hände dabei weg.«
Er zog die Tresortür auf und zeigte mir das Innere. Es war seltsam, das grün gefilterte Tageslicht durch die verschiedenen kleinen und großen Löcher hereinfallen zu sehen.
»Wie gesagt, bei neueren Safes wird all das beträchtlich erschwert. Neben diesen Platten gibt es Aussperrmechanismen, die aktiviert werden, wenn man versucht, durch die Wände hindurchzubohren oder zu -schneiden. Manche haben ein Stahlkabel ringsherum. Beschädigt man den Mantel, beschädigt man dabei das Kabel, und das blockiert alles. Will sagen, das ganze Ding wird dadurch nutzlos, selbst für den Besitzer.«
Er schloss die Tür, nahm mir die Nummernscheibe ab und versuchte, sie wieder einzusetzen. Als er die Hand wegzog, fiel sie herunter. Er machte sich nicht die Mühe, sie aufzuheben.
»Worauf ich hinauswill, ist … ein Safe kann noch so gut gebaut sein, man schafft es immer irgendwie, ihn aufzubrechen, wenn man sich genug anstrengt. Du karrst ihn irgendwo in ein Lagerhaus, du wendest reichlich Zeit auf. Reichlich Schweiß, Hitze, Lärm …«
Er stemmte sich hoch und verzog beim Aufrichten schmerzvoll das Gesicht.
»Irgendwann kriegt man sie alle auf. Wenn es einem egal ist, mit wie viel Brutalität man vorgeht. Wenn es einem egal ist, wie der Safe hinterher aussieht.«
Er nahm das Abdecktuch an zwei Zipfeln, schüttelte es einmal, dass es sich blähte, und ließ es über den Tresor fallen. Verbarg ihn wieder, so wie man ein Leichentuch über einen Toten breitet.
»Ich habe dich gewarnt, dass es ein scheußlicher Anblick ist«, sagte er. »Ich hoffe, du stimmst mir da zu. Falls du das anders siehst, solltest du auf der Stelle gehen.«
Ich war nicht ganz sicher, was er meinte, aber ich würde nicht gehen.
»Das sind die groben Methoden grober Männer. Sie können die Herausforderung nicht annehmen, die ein guter Safe verkörpert. Sie können dem Safe nicht auf Augenhöhe begegnen. Was machen sie also? Genau das, was solche Männer schon seit der Steinzeit machen – sie greifen zur Gewalt.«
Er nahm die Sackkarre und schob die Ladefläche unter den Tresor.
»Keine Geduld. Keine Geschicklichkeit. Keine Intelligenz. Nur rohe Körperkraft. Sie
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