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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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WUNDERJUNGEN. Mit dem vergilbten Zeitungsausschnitt daneben.
    Bitte schön, Onkel Lito. Verlier nur nicht alles beim Rennen.
     
    Als ich zu der Ampel am Ortsausgang kam, hielt ein Streifenwagen neben mir. Ich spürte, wie ich gemustert wurde, sah aber nicht hin. Bei Grün sauste ich los und wartete nur darauf, dass die Sirene anging, überlegte schon, welche Route ich nehmen würde, falls ich flüchten musste. Doch es passierte nichts.
    Ich fuhr ostwärts, wieder diese sechs Kilometer, die ich so gut kannte. Die wichtigsten Kilometer meines Lebens. Noch mehr neue Häuser waren inzwischen hochgezogen worden, dort, wo früher ein offenes Feld gewesen war. Eines größer als das andere, aber beinahe aufeinandergestapelt, so dass jeder Quadratzentimeter Grund genutzt wurde. Dennoch war es immer noch dieselbe Straße, und ich hätte sie mit verbundenen Augen fahren können.
    Als ich zu ihrer Siedlung kam, sah ich schon von weitem ein Dutzend Autos in der Einfahrt und bis hinaus auf die Straße stehen. Da war offenbar irgendeine Party im Gange. Für Amelia vielleicht? Würde ich da jetzt mitten hineinplatzen? Feine Überraschungsparty.
    Ich parkte das Motorrad an der Straße, nahm den Helm ab und klingelte zweimal an der Haustür. Niemand machte auf, also ging ich nach hinten.
    Es gab dort jetzt einen Pool. Einen waschechten versenkten Swimmingpool, genau an der Stelle, an der ich zu graben begonnen hatte. Ein weißer Zaun umgab das ganze Ding. Überall Tische und Stühle. Grüne Tischdecken und Blumen. Vierzig oder fünfzig Leute standen mit Weißwein in Plastikbechern herum. Ich erkannte niemanden.
    Einer nach dem anderen begannen die Leute mich zu bemerken. Ich blieb ruhig stehen. Irgendwann ging die Hintertür auf, und Mr. Marsh kam heraus, eine Weinflasche in jeder Hand. Er sah gut aus, das muss ich sagen, wieder ganz sein sonnengebräuntes »Hoppla, hier komm ich«-Selbst. Er stutzte, als er merkte, dass alle in eine Richtung starrten, und folgte dem unsichtbaren Blickpfeil, bis er mich entdeckte. Das musste er erst mal ein paar Sekunden verarbeiten, wobei es ihm heldenhaft gelang, nicht die Weinflaschen fallen zu lassen.
    »Michael«, sagte er schließlich. »Was machst du denn hier?«
    Er übergab die Flaschen jemand anderem, kam auf mich zu und schob mich mehr oder weniger zurück zur Vorderfront.
    »Schön, dich zu sehen«, sagte er, »aber ich dachte … ich meine … wie geht es dir?«
    Diese aufrichtige Freude, dachte ich. Treibt mir echt die Tränen in die Augen.
    »Wir haben hier gerade eine kleine Feier, wie du siehst. Ich konnte endlich das zweite Fitnesscenter eröffnen und plane jetzt das dritte.«
    Auf der Einfahrt blieben wir schließlich stehen, weit genug weg von der Party und unliebsamen Zuhörern.
    »Hör zu«, sagte er, »ich weiß, dass ich dir viel zu verdanken habe. Ich meine, ein Dankeschön ist vielleicht nicht genug, aber vielen Dank! Okay? Du hast es mir ermöglicht, diesen Haien zu entkommen. Ich habe meine Schulden vollkommen beglichen, und jetzt ist alles gut. Sie werden mich nicht mehr belästigen. Oder meine Familie.«
    Das mag sein, dachte ich, aber aus Gründen, die du nicht mal ahnst.
    »Du erinnerst dich doch an Jerry Slade, oder? Meinen alten Partner? Er ist wie vom Erdboden verschluckt, ich hab ihn nie wiedergesehen. Das sagt wohl alles. Man muss die Suppe auslöffeln, die man sich eingebrockt hat, verstehst du, was ich meine? Einfach positiv bleiben, bis man wieder Auftrieb hat.«
    Du bist ein solches Arschloch, dachte ich. Wenn du nicht Amelias Vater wärst …
    »Aber ich weiß nicht so recht, ob du überhaupt hier sein solltest. Ob das wirklich so günstig ist, meine ich nur. Ist aber wirklich toll, dich zu sehen, versteh mich nicht falsch. Ich werde es Amelia sagen, versprochen.«
    Ich zeigte zu ihrem Fenster hinauf.
    »Ja, es geht ihr gut. Ich sage ihr, dass du hier warst.«
    Ich wartete. So leicht wurde er mich nicht los.
    »Sie studiert Kunst, wie sie es immer wollte. Ist das nicht toll?«
    Ich wartete.
    »Sie ist in London, kaum zu glauben. Sie ist total begeistert von der Stadt.«
    London …
    »Ich richte ihr Grüße von dir aus. Sie ruft mich jede Woche an.«
    Sie ist in London.
    »Hör mal, ich muss jetzt wirklich zurück zur Party. Wenn ich dir irgendeinen Gefallen tun kann … ehrlich, egal, was es ist, dann sagst du mir Bescheid, ja? Pass auf dich auf.«
    Er legte mir noch kurz die Hand auf die Schulter, dann ging er zurück zu seinen Gästen.
    Ich wusste

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