Der Mann aus dem Safe
nicht, was ich tun sollte. Stand noch eine Weile dort auf der Einfahrt und sah zu ihrem Fenster hinauf. Fragte mich, ob ihr Zimmer noch genauso aussah. Die Garagentore standen offen, drinnen mehrere große Wannen voller Eis. Dort kühlte er also seinen Wein, auch die Wasserflaschen und Limos und sonst was. Ich schnappte mir eine Flasche Ginger-Ale, so viel war er mir wohl schuldig. Ein Kaltgetränk dafür, dass ich sein Leben, sein Heim, sein Geschäft, seine Familie gerettet hatte. Sein alter Mercedes war auf der anderen Seite der Garage geparkt. Den würde er zweifellos gegen ein neues Modell eintauschen, sobald das Fitnesscenter Geld abwarf. Ich wollte mich gerade umdrehen und gehen, als mir die Aufkleber an der Heckscheibe auffielen.
Michigan State University.
Und darüber … University of Michigan.
Ich wusste, dass Adam, der Football-Star, auf die MSU ging, und wenn ich mich recht an Mr. Marshs Rumgetöne bei unserer ersten Begegnung erinnerte, war das auch seine alte Alma Mater. Warum verdammt sollte er dann einen Aufkleber der University of Michigan an seinem Auto haben?
Aus einem einzigen Grund, Schlaukopf. Allerdings, eines musste man ihm lassen. Kunststudium in London – das war ihm ziemlich schnell eingefallen.
Ich konnte ihm nicht mal einen Vorwurf daraus machen.
Nach all den schlauchenden Kilometern waren es nur noch sechzig mehr bis Ann Arbor. Ein schöner Septembernachmittag, als ich dorthin steuerte, wo der Universitätscampus meiner Meinung nach liegen musste. Überall liefen Studenten herum, Rucksäcke über den Schultern, hellgelbe und blaue T-Shirts. Junge, lächelnde Gesichter.
Ich fuhr die State Street hinunter und sah mir die Gebäude an. Das größte hatte sage und schreibe acht riesige Säulen vorm Eingang, und gleich daneben war das Kunstmuseum. Anscheinend näherte ich mich langsam der richtigen Gegend, aber die Kunsthochschule sah ich nirgends. Schließlich stellte ich das Motorrad ab und ging herum, bis ich einen Lageplan fand. Wie es aussah, lag die Kunstabteilung oben auf dem Nordcampus, in einem ganz anderen Stadtbezirk. Ich stieg wieder auf mein Bike und fuhr dorthin, vorbei an einem großen Krankenhauskomplex, der mir jetzt vage bekannt vorkam. Damals mit neun Jahren musste ich auch hier gewesen sein, um mal wieder einen sogenannten Experten aufzusuchen, der mich zum Sprechen bringen sollte.
Blaue Busse verkehrten auf der Hauptstraße, mit denen die Studenten offenbar zwischen den beiden Campussen hin- und herpendelten. Ich setzte meinen Weg fort, bis ich endlich die Kunsthochschule sah. Ein moderner Glaskasten, der im späten Nachmittagslicht bereits von innen zu leuchten begann.
Ich parkte wieder und ging durch das Gebäude. Die Leute dort, die Kunststudenten – sie schienen sich irgendwie langsamer zu bewegen als die Studenten auf dem Hauptcampus. Sie waren auch ein bisschen besser angezogen. Ach was, sie waren einfach eine ganze Ecke attraktiver und hatten mehr Stil. Sie würden zwar kein Geld verdienen nach ihrem Abschluss, aber dafür hatten sie wenigstens Spaß.
Hier sollte ich auch sein, dachte ich. Wenn nicht alles so verquer gelaufen wäre. Nur noch ein Jahr lang ein ordentliches, geregeltes Leben, und ich hätte dazugehört.
Weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass alles so weitläufig war, wusste ich nicht, was ich jetzt tun sollte. Ihren Namen auf ein Stück Papier schreiben und es herumzeigen?
Nein, erst mal nicht. Ich beschloss, wieder hinauszugehen und mich noch ein bisschen umzusehen. Ich fuhr den Hügel hinauf und stieß auf ein großes Studentenwohnheim. Es schien das einzige auf dem Nordcampus zu sein, jedenfalls das einzige in der Nähe der Kunsthochschule, also bestand wohl eine gute Chance, dass sie dort ein Zimmer hatte.
Drinnen saßen zwei Frauen am Empfang, die selbst wie Studentinnen aussahen. Als würde diese ganze Stadt von jungen Leuten zwischen zwanzig und dreißig verwaltet. Ich ging zu ihnen hin und machte eine Schreibgeste. Sie sahen sich an, bis die eine endlich Stift und Papier zum Vorschein brachte. Ich schrieb
Amelia Marsh
mit einem Fragezeichen dahinter.
Die Frau nahm das Blatt entgegen. »Okay, hmm …« Sie warf der anderen einen Blick zu. »Ich darf das eigentlich nicht, aber geh doch einfach rauf und häng ihr selbst eine Nachricht an die Tür. Wer weiß, vielleicht triffst du sie ja zufällig.«
Sie schickte mich in den sechsten Stock. Ich ging durch einen langen Flur, vorbei an Studierenden auf dem Weg zum
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