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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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kamen mir meine vorigen kriminellen Aktivitäten zustatten. Vor der Tür hielt ich inne und lauschte wieder. Dann holte ich die Zeichnung hervor, um sie unter der Tür durchzuschieben. Das wäre meine letzte Chance gewesen, etwas halbwegs Vernünftiges in dieser Nacht zu tun. Doch ich drehte den Türknauf. Er war abgeschlossen.
    Ich sah ihn mir an. Er hatte noch nicht mal ein Schlüsselloch, nur ein schlichtes rundes Loch in der Mitte. Ich nahm meinen Pick heraus, führte ihn ein, traf auf den einfachen Entriegelungshebel und ließ ihn langsam herunter, damit er kein Geräusch machte. In meinem ganzen Leben würde ich kein leichteres Schloss knacken.
    Ich öffnete die Tür einen Spaltbreit und hörte ihrem Atem zu. Sie schlief tief und fest. Dann lugte ich hinein, sah zu ihrem Bett hin. Schwaches Mondlicht fiel durchs Fenster. Sie hatte kurze Shorts und ein T-Shirt an und war in das Bettlaken gewickelt, als hätte sie mit einer Boa constrictor gerungen.
    Ich machte ein paar Schritte ins Zimmer und legte die Zeichnung auf die Kommode. Sie machte sich gut dort. Gut genug, dass dieses kleine Abenteuer sich gelohnt hatte. Ich sah ihr noch einen Moment beim Schlafen zu und kämpfte gegen das Bedürfnis an, sie zu streicheln. Ich hätte mich schämen sollen. Schämen und ein schlechtes Gewissen haben sollen wegen dieser Übertretung. Bestimmt hätte ich das keinem anderen Menschen gestattet – ich hätte jeden bis aufs Blut bekämpft, der es gewagt hätte, in ihr Zimmer einzudringen und sie zu beobachten, während sie schlief.
    Ich ging rückwärts hinaus, drückte den Sperrknopf im Knauf hinunter und schloss die Tür hinter mir. Leise eilte ich die Treppe hinunter, durch die Küche und zur Gartentür hinaus, die ich auch wieder abschloss. Um keine Spur zu hinterlassen außer diesem einen Geschenk. Das ich nicht signiert hatte.
    Ich bin verrückt, aber blöd bin ich nicht.
     
    Am nächsten Tag war ich todmüde. Als ich zu den Marshs kam, wusste ich, dass es zwei Möglichkeiten gab. Nummer eins, Amelia steht auf, sieht das Bild, dreht durch. Sie sagt es ihrem Vater, und der Teufel ist los. Ich muss mich doof stellen und so tun, als hätte ich die Zeichnung noch nie gesehen. Darauf hoffen, dass sie mir glauben. Darauf hoffen, dass sie denken, ich würde es nie und nimmer riskieren, noch einmal in ihr Haus einzubrechen. Vielleicht würden sie dann ein Wörtchen mit Zeke, dem Künstlerfreund, reden.
    Nummer zwei, sie sieht das Bild und sagt nichts, behält es für sich. Zumindest vorläufig.
    Die Chancen für Möglichkeit Nummer zwei schienen nicht schlecht zu stehen, als ich um zwölf Uhr mittags in die Einfahrt bog. Keine Polizeiwagen warteten auf mich. Kein Mr. Marsh, der einen Baseballschläger in die hohle Hand schlug.
    Ich ging ums Haus herum in den Garten und schnappte mir den Spaten von dort, wo ich ihn in der Nacht hatte liegen lassen. Noch bevor ich ihn einstechen konnte, ging die Hintertür auf. Es war nicht Mr. Marsh, der mich am Schlafittchen packen wollte. Es war Zeke, und er hatte es eilig. Auch heute trug er eine Jacke, noch hässlicher als die letzte, mit einem irren Muster, als hätte er aus jedem Farbtopf einen Klecks daraufgespritzt. Seine Haare waren wieder zu einem Zopf geflochten. Er hielt direkt auf mich zu und wollte mich bei den Schultern packen. Ich stieß ihn weg.
    »Was hast du mit ihr gemacht, verdammt?«, brüllte er. »Hä? Was hast du gemacht?«
    Okay, dachte ich, jetzt wird’s interessant.
    »Ich hab keine Ahnung, was du für ein Problem hast, Mann, aber du hältst dich besser von ihr fern, klar? Hast du mich verstanden?«
    Nicht so richtig. Sag es lieber noch mal.
    »Du bereust das noch, das verspreche ich dir. Bleib weg von ihr, sonst …«
    Sonst was?
    »Ich meine, lass … Du wirst schon sehen.«
    Er machte kehrt und ging zum Haus zurück. Amelia wartete dort mit genervter Miene auf ihn. Dann sah sie über seine Schulter hinweg. Hin zu mir.
    Dieser Blick.
    Sie ließ sich nicht viel anmerken, aber mir genügte es.
    Mehr brauchte ich nicht.
     
    Ein, zwei Stunden vergingen. Immer schön weitergraben natürlich, aber das war der erste Nachmittag in diesem Loch, an dem ich mich nicht wie auf einem Todesmarsch fühlte. Es war zwar kein bisschen kühler an diesem Tag, doch vielleicht war ich schon ein bisschen stärker geworden. Vielleicht hatte auch Amelia etwas damit zu tun.
    Ich hielt immer wieder nach ihr Ausschau, ohne dass sie noch einmal auftauchte. Kein Anzeichen von ihr. Kein

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