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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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Solange ich das richtige Konzept habe, komm ich klar.
    Gezackte Stifte, hatte der Mann gesagt. Wenn ein Pilzkopfstift eine Nut hatte, dann musste ein gezackter mehrere haben, oder? Das bedeutete »gezackt« in diesem Fall. Statt einer falschen Position gab es folglich viele an jedem Stift. Wie viele, drei? Vier? Fünf?
    Nun war der Moment, es herauszufinden. Ich setzte den hintersten Stift und arbeitete mich nach vorn. Alle sechs Stifte gesetzt, wieder nach hinten tasten, alle noch mal setzen. Dabei muss man ungeheuer feinfühlig vorgehen und die Spannung genau richtig halten, damit alle an Ort und Stelle bleiben. Ein Tick zu wenig, und sie fallen heraus, ein Tick zu viel, und man fühlt sie nicht mehr. Ich beendete den zweiten Durchgang und kam an den gleichen Punkt wie zuvor, als der Schlosser mich ausgelacht hatte. Diesmal wusste ich, dass ich weitermachen musste.
    Zurück zum hintersten Stift, drittes Mal setzen. Nach vorn arbeiten. Verflucht, es war, als würde man ein Kartenhaus bauen – man muss weitermachen, aber es wird mit jedem Handgriff schwieriger, und bei der geringsten falschen Bewegung stürzt alles in sich zusammen.
    Ich hatte den dritten Durchgang fast geschafft, da verlor ich die Spannung und merkte, wie die hinteren Stifte herausrutschten. So vertrackt schwer, den vordersten Stift gesetzt zu halten und dann erneut die hinteren zu bearbeiten. Ich zog alles heraus, holte tief Luft, schüttelte die Hände aus und sah mich in dem verlassenen Garten um. Irgendwo wurde der Motor eines Motorrads hochgejagt, ein paar hundert Meter entfernt. Ich fing von vorn an.
    Diesmal kam ich bis zur vierten Position und spürte, wie mir alles wieder wegrutschte. Dieses Amateurwerkzeug, fluchte ich. Dieser nutzlose Schrott.
    Ich stand auf und streckte mich. Ist ja großartig, dachte ich. Und was machst du jetzt?
    Es durch die Garage versuchen vielleicht? Wenn du das Tor aufbekommst, sollte der innere Zugang zum Haus nicht allzu schwer zu knacken sein, falls er überhaupt abgeschlossen ist. Scheiße, und was ist, wenn es elektrisch betrieben wird, wie willst du dann reinkommen? Verflucht noch mal. Wenn du beim ersten Mal nicht so angegeben und die Hintertür geknackt hättest, hätte Mr. Marsh das Schloss nicht ausgewechselt, und du wärst längst im Haus.
    Ein letzter Versuch, sagte ich mir. Einmal noch, dann gebe ich auf. Fahre nach Hause wie ein Trottel und gehe wieder ins Bett.
    Ich tastete erneut nach dem letzten Stift. Diesmal jedoch … hey, warum versuche ich nicht, ihn gleich ganz zu setzen? Durch jede Nut zu drücken, bis ich zur letzten komme …
    Nee, das funktioniert nicht. Denk doch mal nach. Sobald du zu der ersten Position am nächsten Stift kommst, musst du mit der Spannung nachlassen und wirst den hinteren verlieren.
    Moment. Warte mal eben …
    Ich drückte den hintersten Stift hoch, fühlte, wie er durch alle Positionen glitt. Fünf an der Zahl. Die letzte war die eigentliche. Und wenn ich, statt ihn dort hängen zu lassen, einfach noch ein Stückchen weiterdrücke? Ich setze jeden einzelnen zu tief, bis ich zum vordersten komme, und dann lasse ich gerade so viel mit dem Druck auf den Spanner nach …
    Ich probierte es. Es war, als würde man ein Schloss rückwärts knacken. Ich setzte den hintersten Stift zu tief, dann den davor und so weiter, bis ich sie alle durchhatte. Da nun alle sechs Stifte »übersetzt« waren, brauchte ich nur genug nachzulassen …
    Sechs leise Klicks. Sechs Stifte fielen zurück auf die Scherlinie. Der Zylinder drehte sich, und das Schloss war auf.
    Ich betrat die Küche. Dieselbe Küche wie vor … wie viele Nächte war es jetzt her? Dasselbe Gefühl überkam mich. Mein Herz schlug schneller. Mein Atem ging flach. Ich sah alles scharf und deutlich. Mein Verstand war vollkommen klar zum ersten Mal seit … na ja, seit ich das letzte Mal in dieses Haus eingebrochen war. Nur hatte ich diesmal keine drei Komplizen dabei, die in der Gegend herumpolterten und Schürhaken in Aquarien schlugen. Diesmal war ich allein, und ich fühlte mich ganz Herr der Lage.
    Ich fühlte mich gut. Ich gebe es zu.
    Lange stand ich dort in dieser Küche und spitzte die Ohren. Ich hörte eine Uhr im Nachbarzimmer ticken, sonst nichts. Ich schlich mich durchs Haus, hin zur Treppe. Blieb wieder stehen, lauschte. Dann stieg ich langsam hinauf. Ein einzelnes Nachtlicht steckte in einer der Steckdosen im Flur. Ich ging zu Amelias Zimmer, froh, dass ich genau wusste, welche Tür es war. Schon

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