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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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überblicken, ehe wir ins Freie traten. Es war immer noch alles ruhig.
    Wir überquerten die Straße. Die kühle Luft tat meiner Lunge gut, aber wir hatten noch keine Zeit, um sie richtig zu genießen. Wir duckten uns in das dichte Buschwerk und kletterten den Hang des Canyons hinauf. Zwischendurch nahm Gunnar sein Handy heraus und drückte eine Kurzwahltaste.
    »Wir sind unterwegs.« Er legte auf und machte sich wieder ans Klettern. Das Hinaufsteigen war verdammt viel schwerer als das Hinunterrutschen, aber wir wollten es nicht riskieren, dass Lucy zu der ruhigen Wohnstraße unten kommen musste, so viel verstand ich. Nicht, wenn es nicht unbedingt nötig war.
    Wir zogen uns an Zweigen und Ranken und Steinen hoch, Meter für Meter, und erklommen schließlich die Serpentinenstraße. Lucy wartete neben dem Wagen.
    »Warum habt ihr so lange gebraucht?«
    Gunnar küsste sie schnell und sagte, sie solle sich ans Steuer setzen. Er ging zur Beifahrerseite, ich stieg hinten ein. Als wir endlich losfuhren, warf er mir die Tüte über den Sitz hinweg zu.
    »Im Ernst«, sagte Lucy. »Warum habt ihr so scheißlange gebraucht?«
    Gunnar fing an zu lachen. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich mit eingestimmt.
     
    Lucy fuhr uns die Canyonstraße hinunter und zurück auf den Sunset Boulevard, während ich mich aus dem Overall schälte und mit einigen Verrenkungen wieder in meinen schicken Anzug schlüpfte. Es war mittlerweile kurz vor Mitternacht, doch es herrschte nach wie vor viel Verkehr. Die Clubgänger zogen jetzt erst richtig los, und die Warteschlangen schlängelten sich immer noch über die Bürgersteige.
    Wir parkten an derselben Stelle. Lucy schaltete den Motor ab, und erst dann drehte sie sich zu mir um und sah mich prüfend an.
    »Du siehst scheiße aus, weißt du das?«
    Sie befeuchtete ein Taschentuch mit der Zunge und versuchte, mich zu säubern.
    »Geht einfach rein«, sagte Gunnar. »Mach zuerst einen Abstecher zur Toilette.«
    »Er sieht aus, als wäre er gerade einen Berg runtergekullert.«
    »Geht einfach«, wiederholte er. »Ich fahre das Auto nach Hause. Ihr nehmt euch dann ein Taxi, ja?«
    »Kein Problem, Baby.« Sie küsste ihn noch einmal, ziemlich lange diesmal.
    »Ich bin so froh, dass du in Sicherheit bist«, sagte sie.
    »Es war die Sache wert.«
    »Ist mir egal. Du bist heil davongekommen. Das ist das Einzige, was zählt.«
    Noch ein bisschen mehr Rumgeschlabbere, dann warf er uns endlich raus.
    »Warte«, sagte Lucy, als der Wagen davonfuhr. »Wenn das dein Look ist, muss ich mich anpassen.«
    Sie beugte sich vornüber und wuschelte sich mit beiden Händen durch die Haare. Als sie sich wieder aufrichtete, war ihre topfrisierte Mähne total zerzaust.
    »Gehen wir, Michael. Entschuldigung,
Mikhail.
Zeit für Phase zwei.«

[home]
    Kapitel fünfzehn
    Michigan
Juli 1999
    N achdem ich es also nicht geschafft hatte, dieses Schloss zu öffnen, dachte ich, schlimmer kann es heute nicht kommen.
    Es kam schlimmer.
    Als ich wieder in meiner Grube schaufelte, zog ich den Umschlag unter dem T-Shirt hervor und legte ihn unten in die Schubkarre. Ich grub, warf die Erde in die Karre, bis sie voll war, karrte das Erdreich zum Waldrand und kippte es aus. Dann versteckte ich den Umschlag hinter einem Baum.
    Ich hatte zwei Stunden am Stück unter der brutalen Mittagssonne gearbeitet, als ich Amelia aus dem Haus treten sah. Sie kam nicht zu mir herüber. Nicht einmal in die Nähe, sondern blieb auf der kleinen hinteren Terrasse und kurbelte an einem großen Sonnenschirm über einem Tisch, bis er aufgespannt war.
    Zeit für eine Trinkpause, dachte ich. Ein guter Vorwand, um dort rüberzugehen und ihr die Zeichnung zu geben.
    Doch bevor ich das tun konnte, war sie schon wieder weg. Blieb im Haus, während ich weitergrub und wartete. Als sie nach ein paar Minuten wieder herauskam, waren drei andere bei ihr. Der gefürchtete Zeke, ein Typ mit blondierter Stachelfrisur und ein Mädchen mit Haaren wie rosa Zuckerwatte. Die vier setzten sich um den Tisch, lachten und tranken Eistee oder irgend so was aus einer großen Karaffe. Schön kühl im Schatten, jung und witzig und scheißperfekt. Sie schienen mich gar nicht zu bemerken, obwohl ich nur gut zwanzig Meter vor ihnen ackerte.
    Inzwischen hatte ich höllischen Durst, aber ich traute mich nicht in ihre Nähe. Ich grub weiter und versuchte, ihr Gelächter zu ignorieren. Als es plötzlich still wurde, guckte ich hinüber und sah, wie der blonde Typ und das Zuckerwattemädchen

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