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Der Mann aus dem Safe

Der Mann aus dem Safe

Titel: Der Mann aus dem Safe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Hamilton
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hatte, noch besser als die alte Yamaha, die mein Onkel mir geschenkt hatte.
    Zu dem Zeitpunkt war ich schon in das kleine Apartment neben der Garage eingezogen. Meine Sachen dorthin zu schaffen hatte nicht lange gedauert, da sie immer noch in die beiden Packtaschen von meiner alten Maschine passten. Julian entschuldigte sich, dass es so eng dort war, aber Mann … nachdem ich mutterseelenallein losgezogen war und damit gerechnet hatte, in Motelzimmern oder Gott weiß wo zu wohnen, kam das einem richtigen Zuhause schon ziemlich nahe.
    Ich hatte immer noch eine Menge Fragen, was diese vier betraf. Die White Crew. Zum Beispiel: Reiche Leute zu bestehlen nimmt nur eine gewisse Zeit in Anspruch. Was machten sie sonst den lieben langen Tag?
    Wie sich herausstellte, war Julian in einer Familie von Wein-Snobs aufgewachsen und hatte aus diesem Hintergrund ein Geschäft gemacht. Er besaß einen Laden in Marina del Rey, nicht weit entfernt vom Hafen. Unter dem Ladenlokal gab es einen klimatisierten Weinkeller mit Flaschen im Wert von über einer Million Dollar. Die allerfeinsten, teuersten Weine der Welt. Tropfen, die nur sehr Reiche überhaupt in Erwägung ziehen würden zu kaufen. So knüpfte er auch viele seiner ersten Kontakte zu diesen obszön reichen Kreisen, meist zu Leuten, die ihre Jachten im Hafen nebenan liegen hatten. Obendrein konnte er über den Laden einen Teil seines Geldes aus den Einbrüchen waschen.
    Mein Leben wies damit eine gewisse Symmetrie auf, wenn man so will. Ein Mann, der billigen Alk verkaufte, hatte mich aufgenommen, als ich es dringend nötig hatte. Nun war es ein Mann, der überteuerten Wein verkaufte.
    Ramona verbrachte ebenfalls viel Zeit in dem Geschäft, zusammen mit diversen Mitgliedern ihrer Großfamilie, vor allem ihren drei Schwestern. Allesamt unglaublich attraktive Latinas, die einem mit ihrem Charme das letzte Hemd abluchsen konnten. Bei den wenigen Malen, als ich zufällig auch im Laden war, sprachen sie in einem Affenzahn Spanisch miteinander, und das steigerte sich oft zu lautem Anbrüllen. Bis zum Abend hatten sie sich dann wieder versöhnt. Die Familie hielt eng zusammen; sie liebten sich alle wie verrückt und würden füreinander töten, das merkte man. Ich beneidete sie darum.
    Gunnar war nebenbei Tattoo-Künstler und hatte ein kleines Studio gleich hier in Santa Monica. Wenn er sich nicht dort aufhielt, sah ich ihn oft beim Krafttraining im Hof hinten. Obwohl er jetzt mit Julian zusammenarbeitete und Geld in der Tasche hatte, benutzte er immer noch gern Gerätschaften vom Schrottplatz wie Betonschalensteine und Schneeketten.
    Er sprach nicht viel mit mir. Andererseits, je länger ich dort bei ihnen war, desto mehr fiel mir auf, dass er eigentlich mit niemandem so richtig redete. Ich meine, er wohnte mit den anderen unter einem Dach und aß fast jeden Tag mit ihnen zu Abend. Wenn es wieder so weit war, ein großes Ding zu planen, würde er ihnen buchstäblich sein Leben anvertrauen. Aber er war anders als sie, kein Zweifel. Es lag immer so eine unterschwellige Spannung im Raum, vor allem was ihn und Julian betraf und nun auch mich. Als würde er sich nie im Leben so viel mit uns abgeben, wenn es nicht wegen dieses einen gemeinsamen Interesses wäre.
    Und Lucy? Sie war das einzige Mitglied der Bande, das noch keine Aufgabe für tagsüber gefunden hatte. Nach ihrem Entzug hatte sie in verschiedenen Jobs gearbeitet, es aber anscheinend nirgends lange ausgehalten. Ihr neuester Trip war offenbar das Malen. Ein paar ihrer Bilder hingen im Haus, und Julian hatte es eingefädelt, dass ihre Arbeiten in einer der Kunstgalerien der Gegend ausgestellt wurden. Es waren überwiegend fast psychedelische Gemälde von Vögeln oder Hunden oder gar irgendwelchen Dschungeltieren, die sie bestimmt noch nie mit eigenen Augen gesehen hatte. Ich fand sie trotzdem ganz gut, aber sie verkaufte nicht viel.
    Weil sie von allen am meisten Freizeit hatte, ergab es sich, dass ich häufig in der Nähe herumhing, wenn sie gerade malte oder kochte oder sonst was tat. Eines Tages ertappte sie mich dabei, wie ich sie auf meinem Notizblock zeichnete. Nichts Besonderes, nur eine schnelle Bleistiftskizze, aber sie riss mir das Blatt aus der Hand und betrachtete es.
    »Noch ein Grund mehr, dich zu hassen«, sagte sie, als sie es mir wieder hinwarf.
    Der Safe stand nach wie vor in der geheimen Kammer, und während des ganzen restlichen Monats versuchte sie immer wieder, ihn zu öffnen. Ich sah ihr zu und bemühte

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