Der Mann aus dem Safe
mich, ihr zu zeigen, wie ich die kürzeren Kontakte ertastete, aber ich wusste, dass ich ihr nicht beibringen konnte, es zu
fühlen.
Entweder würde sie es irgendwann raushaben oder nicht.
Sosehr sie sich auch anstrengte, sie konnte es nicht fühlen.
Julian brachte mich dazu, meinen gefälschten New Yorker Führerschein wegzuwerfen, und sagte, er würde mir eine
richtige
falsche Identität besorgen. So hörte ich auf, William Michael Smith zu sein.
Ein Freund eines Freundes von ihm hatte einen jungen Nachbarn, der seinen Führerschein noch nicht gemacht hatte. Er musste nämlich zuerst rund neunzig Kilo abspecken, bevor er auch nur daran denken konnte, sich hinter das Steuer eines Autos zu klemmen. Dieser Junge erklärte sich bereit, mir für einen gewissen Geldbetrag, der ihm jeden Monat bar überbracht wurde, seine Identität zu »leihen«. Ich konnte in seinem Namen ein Bankkonto eröffnen, wenn ich wollte. Ich konnte sogar seine Sozialversicherungsnummer benutzen und mir einen ehrenwerten Job suchen.
Auf diese Weise erhielt ich den neuen falschen Namen Robin James Agnew.
Die Pager hatte ich natürlich immer noch bei mir. Eines Tages piepte der grüne. Das war der, der sich dem Ghost zufolge seit Jahren nicht mehr geregt hatte. Er wusste nicht einmal, ob noch irgendjemand die Nummer hatte.
Tja, anscheinend schon.
Ich rief die Nummer im Display an. Der Mann, der sich meldete, fragte, ob ich der Ghost sei. Als ich nicht antwortete, fragte er noch mal, fluchte mehrfach und legte auf.
So viel zu dem grünen Pager, dachte ich und behielt ihn trotzdem. Ich sorgte dafür, dass er stets frische Batterien hatte, genau wie bei den anderen auch. Sie lagen in dem Schuhkarton unter meinem Bett, und ich überprüfte sie jeden Tag.
Am ersten Februar piepte der gelbe Pager wieder.
Zuerst wollte ich ihn ignorieren, doch dann ging ich zu einem Münztelefon unten am Jachthafen und wählte die Nummer. Es läutete zweimal, dann hörte ich eine Stimme.
»Ist dort Michael?«
Er weiß meinen Namen, dachte ich, aber anscheinend nicht, dass ich ihm nicht antworten kann.
»Hier spricht Harrington Banks«, sagte die Stimme. »Harry. Erinnerst du dich an mich? Wir haben uns in diesem Altwarenladen in Detroit getroffen.«
Ja, ich erinnere mich an dich. Du bist hereingekommen und hast ein paar Fragen gestellt. Am nächsten Tag habe ich dich in deinem Auto gesehen. Du hast dort gesessen und beobachtet.
»Können wir uns irgendwo treffen, Mike? Wir müssen unbedingt mal miteinander reden.«
Irgendwie ist er an die gelbe Nummer herangekommen. Ob er erkennen kann, dass ich ihn aus L.A. anrufe? Scheiße, vielleicht lässt er die Verbindung gerade zurückverfolgen, direkt zu diesem Münztelefon am Hafen.
»Ich glaube, du bist da ziemlich tief in etwas hineingeraten«, sagte er. »Hörst du mich? Du solltest dir von mir helfen lassen, weißt du.«
Ich legte auf und fuhr mit dem Motorrad zurück zum Haus. Als ich reinging, hörte ich den gelben Pager wieder piepen. Es war dieselbe Nummer.
Beinahe hätte ich das blöde Ding unterm Fuß zermalmt, egal, was mit mir passieren würde, wenn der Mann aus Detroit das spitzkriegte. Doch stattdessen nahm ich nur die Batterien heraus und ließ ihn dort tot im Karton liegen.
Gunnar wurde allmählich unruhig und konnte nicht gut damit umgehen.
»Julian kennt nur eine Methode«, sagte er zu mir. Wir saßen zusammen am Esstisch, während Julian, Ramona und Lucy in der Küche waren. »Er braucht ein halbes Jahr oder so, um einen Job zu planen. Ein halbes Jahr! Alles muss bis ins Detail durchdacht sein, verstehst du. Wir müssen jede dämliche Kleinigkeit über den Mann wissen. Wenn er nachts aufsteht und pinkeln geht, müssen wir das wissen.«
Er leerte sein Weinglas.
»Derweil kann Julian in seinem feinen Laden herumspielen, und er und Ramona dürfen sich mit diesen ganzen Bonzen amüsieren. Sie fürstlich bewirten. Lucy und ich dagegen, wir sitzen herum und warten. Bis es endlich wieder Zeit ist,
was zu tun.
Dann kriege ich natürlich den öden Teil ab, ich bin derjenige, der sechs Stunden in einem beschissenen Schrank hockt. Du hast das ja erlebt. Während Lucy entweder gar nichts zu tun bekommt, weil Julian ihr einfach nicht traut, oder wieder als Köder für irgendeinen geilen alten Bock herhalten muss.«
Er nahm die Weinflasche und wollte sich nachschenken, aber es kam nur noch ein kleiner Rest heraus, dann tröpfelte es. Er knallte die Flasche auf den Tisch.
»Das Leben ist zu
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