Der Mann aus dem Safe
weiter, und dann brachte Mr. Marsh meinen BWH zum Auto. Ich stand neben der vorgeblichen Oase und staunte, wie viel Mühe in die Illusion investiert worden war. Mich unter das Zelt zu stellen, traute ich mich nicht, weil ich annahm, dass der Schatten für mich verboten war. Dass er das ganze Ding wieder abreißen würde, sobald der BWH um die Ecke war. Die Plane wegziehen und mir befehlen würde, meinen Arsch zurück an die Arbeit zu bewegen.
Doch stattdessen packte er mein Gesicht mit beiden Händen, als er zurückkam, rückte mir richtig auf die Pelle. »Ich sag dir was«, verkündete er. »Deine Aktien stehen gut heute, junger Mann.«
Er gab mir noch einen Klaps auf die Wange, bevor er von mir abließ. »Entspann dich einfach für ein Weilchen. Ich brauch dich in etwa einer halben Stunde drinnen.«
Entspann dich, sagte er. Ich wusste nicht, wie man das macht. Ich ging um das Gartenzelt herum und suchte nach dem Spaten, fand ihn schließlich am Waldrand. Es war irgendwie ein merkwürdiges Gefühl, meine Finger nicht um seinen Griff zu schließen. Aber gut, scheiß drauf. Sah tatsächlich so aus, als wäre der Pool kein Thema heute. Ich ließ den Spaten fallen und ging zum Zelt zurück, wo ich zu den Fenstern hinaufsah.
Bitte zeige dich, dachte ich. Alles wäre so verdammt viel leichter, wenn du mich auch nur für eine Sekunde anlächeln würdest.
Irgendwann ging ich doch unter das Zelt und setzte mich an den Rand der Grube, stellte die Füße auf die Plastikplane. Ich wartete.
Endlich zeigte sich Mr. Marsh an der Hintertür.
»Komm rein!«
Er hielt mir die Tür auf. Ich ging hinein und fröstelte in der plötzlichen Kühle von der Klimaanlage.
»Hier entlang, Michael.«
Er führte mich in sein Arbeitszimmer, in dem wir auch unser erstes, ausführliches Gespräch gehabt hatten, gut siebentausend Schaufelvoll Erde zuvor. Derselbe ausgestopfte Fisch hing noch da, der große Blaue Marlin, erstarrt über seinem Schreibtisch.
»Setz dich«, sagte Mr. Marsh. »Kann ich dir was zu trinken anbieten?«
Ich lehnte mit höflicher Handbewegung ab.
Er wollte sich damit nicht zufriedengeben. »Eine Cola vielleicht? Eine Dr. Pepper? Wir haben bestimmt was für dich, lass mich nachsehen.«
Er ging zu der Bar auf der anderen Seite und kramte in dem kleinen Kühlschrank dort herum. »Möchtest du Eis?«
Spielte das eine Rolle? Ich machte mir nicht mal die Mühe abzulehnen.
»So, bitte schön.« Er goss Cola aus einer Dose in ein Glas voller Eiswürfel. Das Glas sah nach echtem Kristall aus. Er reichte es mir und stellte die Dose vor mich auf den Tisch. Dann setzte er sich wieder.
»Jetzt will ich dir sagen, warum ich dich hier hereingebeten habe. Meine Tochter Amelia hat mir heute Morgen etwas sehr Interessantes über dich erzählt.«
Ach du Kacke, dachte ich. Jetzt geht’s los. Mit einem frühen Tod hatte ich heute nicht gerechnet.
»Sie sagt, dass du ein richtiger Künstler bist und deine Zeit nicht damit verschwenden solltest, ein Loch in unserem Garten zu graben. So hat sie sich ausgedrückt.«
Meine Atmung setzte wieder ein.
»Du erstaunst mich jeden Tag aufs Neue, Michael. Wirklich wahr. Ich meine, dass du loyal sein kannst, hast du ja schon unter Beweis gestellt. Die harte Arbeit – und trotzdem hast du deine Freunde nicht verraten. Übrigens, ich habe mich gestern doch bei dir entschuldigt, oder? Habe ich dich inzwischen um Verzeihung gebeten?«
Ich nickte.
»Weißt du, das hat mich einfach so aufgebracht, was passiert ist. Was ihr Jungen gemacht habt. Du und diese Tunichtgute von der Milford Highschool.«
Er bremste sich mit sichtlicher Mühe. Dann legte er seine Hände flach auf den Schreibtisch.
»Aber das ist kein Grund, dich so zu piesacken. Ich versuche nur zu erklären, was in mir vorgegangen ist, okay? Verstehst du mich? Und verzeihst mir?«
Ich nickte wieder.
»Danke, Michael. Ich weiß das zu schätzen. Wirklich. Warum trinkst du deine Cola nicht?«
Ich nahm einen Schluck, die Kohlensäure stieg mir in die Nase.
»Also, ich will dir einen Vorschlag machen. Erstens, ich habe es ernst gemeint, deine Tage als Grubengräber sind vorbei. Okay? Kein Buddeln mehr. Stattdessen dachte ich, na ja, wenn du so ein toller Künstler bist und all das …«
Er machte eine Pause und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Über dem Kopf den großen Fisch.
»Amelia hatte diesen Freund, Zeke. Ezekiel oder wie der Kerl heißt. Du hast ihn bestimmt mal hier gesehen, oder? Jedenfalls ist er jetzt
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