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Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Der Mann Aus St. Petersburg: Roman

Titel: Der Mann Aus St. Petersburg: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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einen Hinweis auf das, was sie in einer anständigen Gesellschaftsform einmal bedeuten könnten. Ihre Hauptsorgen waren das Wetter, die Tiere, Krankheit, Geburten und das Überlisten der Gutsbesitzer. Während weniger Jahre ihres Lebens, etwa im Alter von siebzehn bis zwanzig, waren sie kräftig und aufrecht, konnten lächeln, schnell rennen und flirten, aber bald darauf wurden sie gebeugt, grau, langsam und mürrisch. Jetzt also würde Fürst Orlow diese Leute in der Blüte ihrer Jugend aufgreifen und vor den Geschützen aufmarschieren lassen. Man würde sie in Stücke schießen oder zu Krüppeln werden lassen, und das alles aus Gründen der internationalen Diplomatie.
    Erfahrungen wie diese hatten Felix zu einem Anarchisten gemacht. »Was müssen wir tun?« fragte Ulrich.
    »Wir müssen die Nachricht in flammenden Lettern auf der Titelseite der Meuterei bringen!« sagte die unscheinbare junge Frau.
    Man begann, über den Text des Artikels zu diskutieren. Felix hörte schweigend zu. Redaktionelle Probleme interessierten ihn wenig. Er verteilte die Zeitschrift, schrieb hie und da Artikel, wie man Bomben herstellt und war zutiefst unzufrieden mit sich selbst. Er war in Genf viel zu zivilisiert geworden. Er trank Bier statt Wodka, trug Kragen und Krawatte, besuchte symphonische Konzerte. Er hatte eine Stellung in einer Buchhandlung angenommen. Und währenddessen befand sich Rußland in Aufruhr. Die Arbeiter auf den Ölfeldern kämpften gegen die Kosaken, das Parlament war machtlos, eine Million Arbeiter standen im Streik. Zar Nikolaus II. war der unfähigste Herrscher, den eine degenerierte Aristokratie hervorbringen konnte. Das Land glich einem Pulverfaß, das nur auf einen Funken wartete, und Felix wollte dieser Funke sein. Aber es wäre Wahnsinn, jetzt zurückzugehen. Josef Stalin war zurückgekehrt, aber kaum hatte er einen Fuß auf russischen Boden gesetzt, da hatte man ihn nach Sibirien geschickt. Die Geheimpolizei kannte die Exilrevolutionäre besser als die, die zu Hause geblieben waren. Felix fühlte sich eingeengt in seinem steifen Kragen, seinen Lederschuhen und den Umständen, in denen er lebte.
    Er blickte sich in der kleinen Gruppe der Anarchisten um. Ulrich, der Drucker, mit weißem Haar und tintenbefleckter Schürze, ein Intellektueller, der ihm Bücher von Proudhon und Kropotkin lieh, aber auch ein Mann der Tat, der ihm einst bei einem Banküberfall geholfen hatte; Olga, die unscheinbare junge Frau, die sich einmal in Felix verliebt zu haben schien, bis sie eines Tages miterlebte, wie er einem Polizisten den Arm brach; Vera, die Dichterin, die mit jedem schlief; Jewno, der Student der Philosophie, der ständig über die Reinigung durch Blut und Feuer phantasierte; Hans, der Uhrmacher, der in die Seelen der Menschen sah, als hätte er sie unter seiner Lupe; und Pjotr, der enteignete Graf, Verfasser brillanter wirtschaftlicher Pamphlete und motivierender revolutionärer Leitartikel. Alles ehrliche, fleißige und kluge Menschen. Felix war sich ihrer Bedeutung bewußt, denn er hatte unter den verzweifelten Menschen in Rußland gelebt, die mit Ungeduld auf die eingeschmuggelten Zeitschriften und Broschüren warteten, sie von Hand zu Hand weiterreichten, bis sie zu Fetzen zerfielen. Und doch war es nicht genug, denn wirtschaftliche Traktate boten keinen Schutz gegen die Kugeln der Polizei, und auch mit den flammendsten Artikeln konnte man keine Paläste in Brand setzen.
    Ulrich sagte: »Diese Nachricht verdient weitere Verbreitung, als sie in der Meuterei bekommen kann. Ich will, daß jeder Bauer in Rußland erfährt, daß Orlow ihn in einen überflüssigen, blutigen Krieg führen will.«
    Olga wandte ein: »Das erste Problem ist, ob man uns glauben wird.«
    Felix meinte: »Das erste Problem ist, ob die Information überhaupt stimmt.«
    »Das können wir nachprüfen«, erklärte Ulrich. »Die Kameraden in London können herausfinden, ob Orlow zu der angegebenen Zeit dort ankommt und ob er sich mit den besagten Leuten trifft.«
    »Es genügt nicht, die Nachricht zu verbreiten«, fiel Jewno erregt ein. »Wir müssen rigoroser vorgehen!«
    »Und wie?« fragte Ulrich, während er den jungen Jewno über seine Drahtbrille hinweg anschaute.
    »Wir sollten zum Mord an Orlow aufrufen – er ist ein Verräter, ein Volksverräter, und er muß hingerichtet werden.«
    »Würde das die Verhandlungen stoppen?«
    »Sehr wahrscheinlich«, antwortete Graf Pjotr. »Vor allem, wenn der Mörder ein Anarchist ist. Erinnert euch:

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