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Der Mann, der den Regen träumt

Der Mann, der den Regen träumt

Titel: Der Mann, der den Regen träumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Al Shaw
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Poren und stieg hauchzart gen Himmel auf. An den dichtesten Stellen war der Nebel so weiß wie Schnee, doch die äußeren Ränder begannen nun, das Licht zu reflektieren, sodass die Sonne ihm eine schimmernde Umrandung verlieh.
    »Du hast eine Aura«, flüsterte Elsa und küsste ihn.
    Während ihre Lippen einander berührten, wurde die Wolke größer und erfüllte die kleine Felsnische mit Nebel. Die Schlucht verschwand, genauso wie der Himmel. Es gab nur noch sie beide in einer Welt aus Watte. Plötzlich erstarrte Finn und sie löste sich von ihm und rückte ein kleines Stück zurück.
    »Was ist los?«
    »Nichts.«
    Sie wusste, dass das nicht stimmte. Die Wolke hatte seine Konturen verschwimmen lassen wie auf einem unscharfen Foto und so dauerte es eine Weile, bis sie die Beule in seiner Jeans bemerkte.
    Einen Moment lang war alles still. Sie hörte, wie er vor Scham leise aufstöhnte. Dann prustete sie los vor Lachen, dass ihm etwas so Irdisches widerfahren konnte.
    »Finn!«, rief sie und schlang die Arme um ihn. Der Nebel flackerte auf. »Das ist absolut in Ordnung!«
    »Und warum lachst du dann so?«
    Sie drückte ihn hinunter, bis er auf dem Rücken lag, und die Wolke hüllte sie ein. Dann tastete sie sich langsam mit der Hand voran, bis Finn einen leisen, behaglichen Laut von sich gab.
    »Ist das okay?«
    Er nickte.
    Sie öffnete den Druckknopf seiner Hose.
    Hastig schälten sie sich aus ihren Kleidern. Zuerst wusste Finn nicht, was er tun sollte. Er saß einfach nur da, nackt und nebelumwabert, während das Sonnenlicht sich in den Dunstschwaden brach und ihn mit einem leuchtenden Kranz umhüllte. Wieder küssten sie sich und Elsa kletterte auf ihn. Langsam verlor er seine Unsicherheit und schließlich legte sie sich auf den Rücken und zog ihn mit sich.
    Als sie miteinander verschmolzen, keuchte Elsa auf, denn die Sonne ließ einen Regenbogen wie eine breite Decke durch den Nebel auf sie herabsinken. Ein flimmernder Hauch hüllte sie ein und ihre Verbundenheit leuchtete in sieben Farben.

Zur Mittagsstunde, als die Sonne an ihrem höchsten Punkt stand und ihre Strahlen keinen Weg zu den Fenstern herein fanden, war es in der Sankt-Erasmus-Kirche am dunkelsten und eine Gemeinde aus Schatten bevölkerte die Bänke und den Mittelgang. Hier, im Halbdunkel, saß Daniel manchmal ab dem späten Vormittag, um dem Schwinden des Lichts zuzusehen. Eine kleine Sonnenfinsternis in der stillen Einsamkeit der Kirche.
    Auch heute war die Stimmung herrlich düster, so wie es ihm am liebsten war. Er ließ sich in das schummrige Licht sinken wie andere Menschen in ein heißes Bad. In seinem Inneren herrschte eine ganz ähnliche Dunkelheit, die die äußere zu beschwichtigen half. Er hatte das Gefühl, sich aus seiner Haut zu lösen, bis er nur noch mit Mühe sagen konnte, wo Daniel Fossiter endete und wo die Welt ringsum begann. In diesen Momenten fühlte er sich befreit, wie ein Flaschengeist, der für ein paar kostbare Augenblicke außerhalb seines gläsernen Gefängnisses schweben durfte. Er hörte, wie jemand seinen Namen flüsterte. »Daniel.« Erschrocken blickte er sich um. In der Kirche war es zu dunkel, um ganz sicher zu sein, doch die Bänke wirkten leer, und als er aufsprang, um hinter den Säulen nachzusehen, verbarg sich auch dort niemand.
    »Daniel.« Da war es wieder. »Daniel Fossiter.«
    Er legte sich die Hände auf die Ohren, um sicherzugehen, dass die Stimme nicht bloß in seinem Kopf existierte, und hörte nichts als das träge Dahinfließen seiner Gedanken, doch kaum hatte er die Hände sinken lassen, war es wieder da, diesmal lauter.
    »Daniel Fossiter!«
    »Daniel, du Dummkopf«, schalt er sich selbst, als ihm klar wurde, dass es kein Flüstern gewesen war, sondern dass jemand nach ihm rief, und zwar von draußen.
    Als er die Tür aufschob und die Augen im Sonnenlicht zusammenkniff, hörte er Stimmen, die aufgeregt seinen Namen riefen. Etwa fünfzehn Leute näherten sich den Stufen des Kirchenportals. Sie führten ein Pony mit sich, eine jämmerliche Kreatur, die auf einem Bein lahmte. Sidney Moses hielt den Strick, an dem er das Tier offensichtlich bis zum Sankt-Erasmus-Platz gezerrt hatte.
    »Mr Fossiter!«, rief er die Treppe hinauf. »Sehen Sie mal, was Abe Cosser oben auf dem Drum Head gefunden hat. Ein Wasserpferd!«
    Sidney schlug Abe wohlwollend auf den Rücken, was den dürren Schäfer zwei Schritte vorwärtstolpern ließ, und drängte: »Na los, Abe! Erzählen Sie’s ihm! Erzählen Sie Mr

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