Der Mann, der den Regen träumt
Namen Cosser oder Moses, und mit ihnen eine irgendwie andersartige Kreatur, die das Wetter hervorgebracht hatte und die nun auf ihre Verurteilung durch Mr Fossiter wartete. Dieser Gedanke tröstete ihn. Seine Gefühle waren im Strudel der Geschichte nicht von Bedeutung. Das, was nun von ihm erwartet wurde, lag ihm im Blut. Es war die einzige Methode, die er kannte.
Plötzlich musste er an seine erste Begegnung mit Miss Beletti denken. Auf diesem Platz, an der Mauer dieser Kirche hatte er einem wilden Hund das Genick gebrochen und sie hatte ihn dafür zur Rede gestellt, ihre Wut so gleißend wie ein Sonnenaufgang.
»Es ist ein Wasserpferd«, seufzte er und die Menge atmete zufrieden auf. »Aber ich habe kein Messer bei mir. Mr Moses, geben Sie mir den Strick. Ich werde diesen Teufel mit auf meinen Hof nehmen und es dort zu Ende bringen.«
Sidney leckte sich über die Lippen. »Das wird nicht nötig sein, Daniel. Ich hatte nicht erwartet, dass Sie Ihr Messer mit in die Kirche nehmen würden, aber zum Glück habe ich auf dem Weg hierher noch mal bei mir zu Hause haltgemacht und mein eigenes mitgebracht.« Ohne Daniel aus den Augen zu lassen, griff er an seinen Gürtel, zog eine lange Stahlklinge mit einem Plastikgriff hervor und hielt sie ihm hin.
Betty, dachte Daniel unvermittelt. Wie sehr sie so etwas gehasst hatte. Er nahm das Messer und betrachtete es voller Abscheu. Ein gutes Schlachtmesser sollte einen aus Knochen geschnitzten Griff haben – der würde seinem Zweck gerecht werden. Ein Plastikgriff war durch und durch typisch für Sidney und Daniel hätte ihm das Messer am liebsten zurückgegeben, indem er ihm die Klinge in den Bauch rammte.
Er erschauderte. Sein Vater, Betty, Elsa: Keiner von ihnen würde das hier gutheißen. Bloß sein verhasster Großvater, der einmal einem Huhn den Kopf abgeschlagen hat, nur um sich vor Lachen darüber auszuschütten, wie der enthauptete Körper weiter über den Hof irrte. Warum also gab er etwas auf das Urteil eines so verachtenswerten Mannes wie Sidney Moses? Wieder ließ Daniel den Blick über die ernsten Gesichter der Menge schweifen und überlegte, wer von diesen Leuten ihm etwas bedeutete. Da stand Hamel Rhys, ein Perversling und so falsch wie eine Schlange. Bryn Shoemaker, der trunksüchtige Schuster. Sally Nairn, die er mochte, weil sie ihm einmal geholfen hatte, die richtigen Blumen für Betty auszuwählen. Jetzt jedoch wich sie seinem Blick aus. Sie war genauso überzeugt von all dem hier wie die anderen. Sie alle waren hergekommen, um eine Hinrichtung zu sehen, ein Opfer zugunsten ihres persönlichen Wohlergehens.
»Mr Fossiter«, drängte Sidney, »wir warten.«
Du hast es in deinem Blut, flüsterte die Stimme seiner DNA, es ist dein Blut. Ohne das hier wärst du nichts.
»Ich fürchte«, sagte Sidney an die wartende Menge gerichtet, »Mr Fossiter ist im Augenblick nicht ganz er selbst.«
Daniel wünschte sich zurück in die Dunkelheit der Kirche. Dort in den Schatten, in denen alles grenzenlos schien, kam er mit seiner inneren Zerrissenheit besser zurecht.
»Ich fürchte, Mr Fossiter ist schon seit einer ganzen Weile nicht mehr er selbst. Nicht, seit Betty Munro ihm das Herz aus der Brust gerissen hat.«
Daniel streichelte dem Pony über den grauen Hals, kraulte ihm die Mähne, fühlte die Wärme seiner Kehle. »Und Sie scheinen sich in letzter Zeit geradezu dazu berufen zu fühlen«, sagte er, als er sich wieder Sidney zuwandte, »mir zu erzählen, wer ich bin und wer nicht.«
Sidney wirkte beleidigt. »Es ist eben genau, wie ich immer sage. Jeder muss seine Pflicht erfüllen. Keiner darf sein persönliches Wohl über das der Stadt stellen.«
»Mit Ausnahme von Ihnen, Mr Moses, nicht wahr? Sie mit Ihren weichen Händen von der Büroarbeit und Ihrer gespaltenen Politikerzunge.«
»Mr Fossiter!«, rief Sidney empört. Seine Augen traten hervor und sein Kinn verschwand fast komplett unter seinen Hängebacken. Er sah aus wie ein aufgeblasener Truthahn. »Alles, was ich je von Ihnen verlangt habe, ist, dass Sie bei der Ausübung Ihres Berufs ein bisschen mehr Einsatz zeigen. Und dass Sie uns dabei helfen, Old Man Thunder zu finden!«
Bei diesem Namen erhob sich in der Menge zustimmendes Gemurmel.
»Vielleicht habe ich während der Ausübung meines Berufs ja ein ganz gutes Gespür dafür entwickelt, wann mein Einsatz erforderlich ist. Ich hege keinerlei Wunsch, dieses Tier zu töten.«
Sidney wirkte verblüfft. Theatralisch breitete er die Hände aus.
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