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Der Mann, der die Frauen belog - Roman

Titel: Der Mann, der die Frauen belog - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Eingang zu den Coventry Arms war ein steinernes Riesenmaul mit einem reich verzierten kupferbeschlagenen Doppelportal. Außer dem üblichen livrierten Portier stand auch noch ein Wachmann parat – jüngstes Zugeständnis an das Zeitalter der Rockstars und ihrer Groupies, vor denen keine Tür sicher war.
    In der Gesäßtasche ihrer Jeans steckte die Dienstmarke. Damit konnte sie ins Haus, wann sie wollte, konnte reden, mit wem sie wollte. Sie hatte die Befugnis, konnte sie aber nicht nutzen. Noch nicht. Und unter falscher Flagge einziehen konnte sie auch nicht. Dass Coffey eine Überwachung abgelehnt hatte, war die richtige Entscheidung (wenn auch mit der falschen Begründung) gewesen. Am besten betrat man so ein Haus in aller Offenheit. Leisetreterei wirkte immer verdächtig.
    Sie fuhr an den Coventry Arms vorbei zu einem nicht ganz so prominenten Bauwerk an der nächsten Ecke. Hier war sie bisher nur ein einziges Mal gewesen, aber die Erinnerung an jenen Besuch hatte sich ihrem Gedächtnis unauslöschlich eingeprägt. Sie parkte wie immer in zweiter Reihe. Strafzettel ließen sich über den Computer entschärfen, das war allemal einfacher, als sich mit Hilfspolizisten herumzuärgern.
    Dem Portier, der sich mit gewichtiger Miene danach erkundigte, wohin sie wolle und wer sie sei, drückte sie ihre Visitenkarte in die Hand.
    »Wen soll ich melden, Miss? Mallory oder Butler?«
    »Sagen Sie, es ist Kathy, ihre Nichte.«
    Was nicht ganz korrekt war. Da sie es strikt abgelehnt hatte, Fragen nach ihrer Vergangenheit oder ihren Eltern zu beantworten, ließen die bürokratischen Hürden eine offizielle Adoption nicht zu. Juristisch war sie ein Pflegekind geblieben, und so was wie Pflegetanten gab es wohl nicht. Aber mochten auch viele Mallorys auf der Welt herumlaufen – Alices einzige Schwester hatte nur ein Kind namens Kathy gehabt.
    Der Portier legte den Hörer des Haustelefons aus der Hand und hielt ihr die Tür auf. Er grinste breit; Tante Alice schien mit Trinkgeldern nicht zu geizen.
    Der Mann am Empfang legte ebenfalls den Hörer auf und nickte Mallory gemessen zu.
    Nicht aufdringlicher Reichtum, sondern diskreter Wohlstand bestimmte hier das Bild. Die Halle war ansprechend, aber nicht antik eingerichtet. Das sanfte Surren des Aufzugs verriet sorgfältige Wartung.
    Bei ihrem ersten Besuch hatte es noch einen Fahrstuhlführer gegeben, zu dem die Zehnjährige hatte aufsehen müssen. Inzwischen war diese Spezies so gut wie ausgestorben. Im Zeitalter der Automation wurde der Mensch immer entbehrlicher.
    Der Aufzug entließ sie auf einen Gang mit hochflorigem gelbem Teppichboden. Die Wände hatten eine diskret geschmackvolle Streifentapete. Sie sah nicht auf die Wohnungsnummern, sondern folgte ihrer Erinnerung bis zu einer Tür am Ende des Ganges. Als sie mit Helen hier gewesen war, hatte sie nicht mal auf Zehenspitzen an den Türklopfer mit dem Löwenkopf herangereicht.
    Es war dasselbe Hausmädchen wie damals, das ihr öffnete und vor ihr her durch den Korridor ging, aber die Perspektiven hatten sich verschoben. War er nicht früher viel länger gewesen?
    Auf das Musikzimmer folgte jener Raum, den sie als eine Art Ballsaal in Erinnerung hatte und der sie auch heute noch beeindruckte. Mallory hätte wetten mögen, dass kein Stück der Einrichtung in den letzten vierzehn Jahren umgestellt worden war. Nippesgegenstände, wohin das Auge sah, und an den Wänden eine fast überwältigende Fülle von Familienfotos. Dunkles Holz und rote Portieren. Tiefe Schatten in den Ecken. Hier und da fing sich das Licht in silbernen Konfektschälchen und goldenem Zierat.
    Die Fotos und Gemälde reichten über viele Generationen in die Vergangenheit zurück, das hatte ihr Helen damals erzählt. Von den Gesprächen jenes Nachmittags war ihr wenig in Erinnerung geblieben. Alice hatte ihrer Schwester sehr ähnlich gesehen, und auch im Gesicht von Helens Mutter war die Familienähnlichkeit unverkennbar gewesen, aber die Haut der alten Dame war damals schon grau gewesen – ein Zeichen des Todes, der in ihr wuchs und der sich später auch Helen holen sollte.
    Zunächst hatte Kathy sich bei den Erwachsenen fürchterlich gelangweilt, als dann aber die Rede auf Markowitz gekommen war, hatte sie aufgehorcht und die kleinen Hände zu Fäusten geballt. Markowitz war – bedauerlich genug! – ein Cop, aber er war auch ihr Vater. Wütend wollte sie aufspringen, aber Helens Blick wirkte Wunder. Die Kinderhände falteten sich brav im Schoß, und das

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