Der Mann, der die Frauen belog - Roman
PCs.
Sie installierte einen Dummy-Bildschirm und tippte unter »Persönliche Mitteilungen« eine gleichlautende Nachricht an drei verschiedene Empfänger. Spätestens morgen früh würden sie nachsehen, was es Neues im elektronischen Briefkasten gab. Beim nächsten Zugriff auf den Computer wäre die falsche Mailbox spurlos verschwunden, und niemand hätte etwas gemerkt.
Zufrieden stellte sie fest, dass zwei der Verdächtigen ein Faxgerät hatten. Auf dem Gebäudeplan suchte sie sich den besten Weg zu dem Kellerraum, in dem die Verteilerzentrale fürs Telefon war, und griff sich Taschenlampe und Werkzeuge.
Eine halbe Stunde später brachte der Fahrstuhlführer sie wieder nach oben. Im Erdgeschoss hielt er an, und ein etwa vierzehnjähriger Junge stieg zu.
Harry Kipling mochte es mit der ehelichen Treue nicht so genau nehmen, aber seine Frau war offensichtlich bei der Stange geblieben. Der Junge hatte die blauen Augen, das schwarze Haar und die stämmige Figur des Vaters. Er musterte Mallory von oben bis unten und feixte lüstern.
Sie maß ihn mit einem stummen Blick, der Bände sprach. Der Junge wurde knallrot und stieg im nächsten Stockwerk aus, wo er gar nicht hingehörte.
Was mochte dieser vielversprechende Knabe noch alles von seinem Vater geerbt haben?
Durch das Gitter des Fahrstuhls sah sie schon von unten den weißen Stock. Als sie ausstieg, stand Eric Franz vor ihr. »Miss Mallory? Ich wollte zu Ihnen. Pardon, nur Mallory, nicht wahr?«
Sie stutzte ein wenig. »Ja.«
»Es war Ihr Parfüm«, beantwortete Eric Franz die ungestellte Frage und hob lächelnd die Schultern. »Wenn man das Augenlicht verliert, werden die anderen Sinne umso schärfer, das hat die Natur sehr weise eingerichtet. Betty Hyde hat mir erzählt, dass Sie sich für den Richter interessieren. Da können wir uns die Hand reichen.«
»Mein Interesse ist rein beruflich. Sie hat Ihnen sicher erzählt, dass ich an einem Forschungsprojekt arbeite.«
»Ich interessiere mich privat für ihn. Mir geht ein Vorfall nach, der schon einige Zeit zurückliegt. Blindsein hat natürlich auch Nachteile, irgendwo gehen immer Informationen verloren. Wie an dem Tag, als die alte Mrs. Heart starb und der Amtsarzt zu Ermittlungen ins Haus kam.«
»Demnach war es kein natürlicher Tod?«
»Angeblich ein Herzanfall. Möglich ist das natürlich. Aber als eine halbe Stunde später der Kriminalbeamte vorbeischaute, habe ich mir doch so meine Gedanken gemacht. Ich war in der Halle und hörte ihn mit dem Portier sprechen. ›Mord‹ hat er gesagt.«
»Wenn sie an einer Herzgeschichte gestorben wäre, würde das keinen Sinn machen.«
»Interessant, nicht? Und jetzt hätten Sie natürlich gern eine Beschreibung des Kriminalbeamten … Er war groß und dünn.« Er beeilte sich, ihre nächste unausgesprochene Frage zu beantworten. »Er machte lange Schritte und lief direkt in mich hinein. Ich weiß noch, wie ich zu ihm sagte: ›Hey, sind Sie blind, Mann?‹ Den Gag lasse ich mir nie nehmen. Und bei dem Zusammenstoß merkte ich natürlich, dass er nicht allzu viel wiegen konnte. Er hat sich dann entschuldigt. Dem Tonfall nach dürfte er aus Brooklyn stammen. Er hatte es mit seinem Aftershave zu gut gemeint. Eine sehr teure Sorte. Und er trug einen Ledermantel.«
»Sie sprachen vorhin vom Amtsarzt …«
»Der war schon oben in der Wohnung des Richters, und der Hausarzt der Hearts ebenfalls. Ich wartete in der Halle auf einen Bekannten, der im Stau stecken geblieben war. Jeder, der ins Haus kam, musste an mir vorbei.«
Der Kriminalbeamte konnte nur Palanski gewesen sein. Immer dem Leichengeruch nach wie eine hungrige Hyäne.
Die Maus pirschte sich vorsichtig an ihr Ziel heran, wobei sie einen großen Bogen um die langen Beine in den blauen Pyjamahosen machte. In den kleinen Augen spiegelten sich goldbraune Croissantkrümel. Sie schnappte sich die Brocken und huschte damit zurück in ihr Versteck unter dem Kühlschrank, wo sie genüsslich ihre Beute verzehrte.
Charles behielt den blubbernden Glaskrug auf der blauen Gasflamme im Auge. Wie viel Zeit mochte dem kleinen Nager auf dieser Welt noch bleiben? Mrs. Ortega versuchte unverdrossen, ihn in eine Falle zu locken, mit einem Besen zu erschlagen, mit Gift aus der Welt zu schaffen. Bisher hatte die erfahrene Stadtmaus sich vor diesen Anschlägen immer noch im letzten Moment retten können und sich damit Charles’ Achtung erworben. Doch Mrs. Ortega war ebenfalls eine achtunggebietende Persönlichkeit. Die Maus
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