Der Mann, der die Frauen belog - Roman
Paillettenkostümen und Schminkkästen im Keller herumtreiben, wo Maximilians Requisiten lagerten.
Ihr Mann starrte auf den Computer.
Leise – den Richter irritierte jedes laute Geräusch – trat Pansy Heart näher und las über seine Schulter die Worte, die den ganzen Bildschirm füllten: DU LÜGNER DU LÜGNER DU LÜGNER DU LÜGNER …
Zornrot wirbelte er herum.
»Untersteh dich, noch einmal so heranzuschleichen.«
Sie wich zurück, wollte die Hand heben, um den drohenden Schlag abzuwehren, und hielt mitten in der Bewegung inne, denn er hatte sich schon wieder dem Bildschirm zugewandt. Wie ein Rasender hieb er jetzt auf die Tasten und fegte dabei Bücher und Zeitschriften vom Tisch. Auf allen vieren kroch Pansy im Zimmer herum und sammelte sie wieder auf.
»Hau ab«, schrie er sie an. »Mach schon, verzieh dich!«
Sie richtete sich schwankend auf und flüchtete über den Korridor zum Schlafzimmer. Unter der Tür blieb sie stehen. Der hohe Spiegel an der gegenüberliegenden Wand warf ihr Bild zurück. Sie presste eine Faust an den Mund, um nicht laut aufzuschreien.
Mit dem straff zurückgekämmten Haar, dem abgemagerten Körper, dem gehetzten Gesichtsausdruck war sie das Ebenbild von Richter Hearts toter Mutter.
Der Brailledrucker füllte Seite um Seite mit zwei schwer lastenden Worten.
Eric Franz saß ganz still. Vor seinem inneren Auge stand ein Bild, das wie eine nie endende Szene aus einem Horrorfilm war. Vor dem breiten Fenster wirbelten, von der Außenbeleuchtung der Coventry Arms in silbriges Licht getaucht, weiße Flocken. Er griff nach den weißen Seiten und riss sie in kleine und kleinste Fetzen. Und nun begann es auch hier im Zimmer zu schneien. Er arbeitete im Dunkeln.
Schwer beladen kam Charles Butler in seine Wohnung zurück.
Rikers Beitrag zur Erschaffung einer Frau war eine halbe Packung Zigaretten, die der Sergeant heute Nachmittag bei ihm hatte liegen lassen. Laut Obduktionsbericht hatte Amanda Bosch geraucht, aber in Mallorys gewissenhafter Inventarliste kamen Zigaretten nicht vor. Vielleicht hatte Amanda sich das Rauchen abgewöhnt, als sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte.
In ihrem Buch aber wimmelte es von Bildern und Ritualen, die mit dem Rauchen zu tun hatten – von dem in der Dunkelheit aufflammenden Streichholz, wenn sie allein aufwachte und sich mit angezogenen Knien, die Arme um den Körper geschlungen, rastlos hin und her wiegte, bis zu überquellenden Aschenbechern und den blauen Rauchschwaden, in denen Staubflocken tanzten und in die sich nach einer kleinen Ewigkeit das graue Licht des neuen Tages mischte.
Vetter Max hatte den Flakon mit dem Rosenduft aus dem Kostümkoffer im Keller beigesteuert.
Charles holte sich Amandas Bild auf eine leere Wandfläche.
Und nun zu Malachais Rezept.
Eigentlich war dazu eine schwere Kopfverletzung, wie Malachai sie im Koreakrieg davongetragen hatte, unerlässlich, denn sie war es wohl, die den Wahn ausgelöst hatte.
Immerhin war auch er, Charles, versehrt – wenn nicht körperlich, so doch an Herz und Seele. Und womöglich war das Mallorys Beitrag zu dieser heillosen Mixtur.
Dann war da Malachais jahrelange Isolation in koreanischer Gefangenschaft, aus der er sich seine Phantom-Louisa mitgebracht hatte.
Auch Charles hatte eine jahrelange Isolationshaft hinter sich. Nicht in einer Gefängniszelle, sondern auf einem weitläufigen Universitätsgelände – als misstrauisch beäugter Wunderknabe unter Studenten, die zehn Jahre älter waren als er – und dann hinter den Mauern von Effrim Wildes Denkfabrik. Erst spät hatte er die Fesseln abgestreift und seine eigene Consultingfirma gegründet.
Fast sein ganzes Leben lang war er ein Einzelgänger gewesen, einer, der sich unter seinen gesellschaftlich gewandteren Mitmenschen nicht zurechtfand, und das war mit Malachais Abkapselung durchaus vergleichbar. Aber so weit brauchte er gar nicht zurückzugehen. Ein quälendes Gefühl der Einsamkeit überkam ihn jedes Mal, wenn Mallory das Zimmer verließ.
Dein zweiter Beitrag, Mallory. Danke!
Sollte Mallory einmal etwas passieren, würde man sie nie neu erschaffen können, so wie Malachai es mit Louisa gemacht hatte, so wie er, Charles, es mit Amanda Bosch versuchen wollte. Niemand hatte Zugang zu Mallorys Gedanken und Gefühlen. Mallory durfte einfach nichts passieren.
Du Narr.
Er hatte die Musik vergessen. Das Concerto war für Malachai eins der wichtigsten Hilfsmittel zur Erschaffung Louisas gewesen. Die Noten waren inzwischen
Weitere Kostenlose Bücher