Der Mann, der die Frauen belog - Roman
Mallory im Moment nur der etwas verstaubte Ausdruck »eine blendende Erscheinung« ein. Markantes Gesicht, sportlich breite Schultern – jeder Zoll zeugungsfreudige Männlichkeit. Warum hängt sich so einer an diese Karikatur einer Frau, dachte sie. Weil sie Geld hat vermutlich. Aber hätte er da nicht noch was Besseres finden können?
»Ich arbeite mit den Computerchips Ihrer Frau«, sagte Mallory.
»Tut mir furchtbar leid, aber ich kann einen Computerchip nicht von einem Kartoffelchip unterscheiden.« Seine Stimme war tief und verführerisch.
Betty Hyde lächelte den Kiplings zu und ging mit Mallory weiter. »Sie haben Harry Kipling zu lange angeguckt. Drehen Sie sich nicht um. Ich glaube, Sie sind sein Typ. Ein bisschen alt für meinen Geschmack, fast vierzig. Meine Kerle sind nie über dreißig. Nein, nicht umdrehen. Seine Frau hat Sie im Visier. Wenn Blicke töten könnten, hätten Sie jetzt schon ein Loch zwischen den schönen Augen.«
»Entschuldigen Sie.« Harry Kipling war ihnen nachgegangen. »Hatten Sie nicht neulich einen Auftritt als Tote im Fernsehen?«
»Das war nur eine Rolle«, sagte Mallory.
»Ach, Sie sind Schauspielerin …«
»Und ich dachte, Sie sind bei der Polizei.« Neben Kipling war unvermittelt Moss White, der Talkmaster, aufgetaucht. Sinnlicher Mund, schmachtende braune Augen – ein Mann wie für den Bildschirm geboren, Traum aller Fernsehproduzenten.
»Schauspielerin also«, fuhr White fort. »Na, da haben die Kollegen aber ganz schön danebengegriffen. Wollen Sie nicht mal als Gast in meine Sendung kommen? Für die Karriere ist so was immer nützlich. Nur ein kurzer Auftritt, in dem Sie den Zuschauern erzählen, was das für ein Gefühl ist, von den Medien für tot erklärt zu werden. Denn als man Sie im Park gefunden hat, haben doch alle gedacht, Sie seien tot, nicht wahr?«
Mallory drehte sich langsam zu Harry Kipling um, der sie mit einem strahlenden Zahnpastalächeln bedachte, aber Betty zog sie weiter.
»Moss White hat einen Akzent«, sagte Mallory. »England oder Australien?«
»Indiana. Vor vier Jahren war er mal anderthalb Monate in London, seither redet er so. Fixer Junge. Ich habe für meinen Akzent hundert Dollar die Stunde bezahlt und Jahre gebraucht, bis ich ihn draufhatte.«
Jetzt standen sie vor dem asketisch wirkenden, hochgewachsenen Mann, der aussah wie eine Anzugreklame für den Herrn in den besten Jahren.
»Darf ich Ihnen Mallory vorstellen, Richter Heart? Sie hat mit dem Fernsehen zu tun.«
Man merkte ihm den wendigen Politiker an. Das Lächeln kam prompt, der Blick der braunen Augen blieb wachsam. »Ich bitte um Nachsicht, Miss Mallory, aber ich bin kein sehr fleißiger Fernsehkonsument. Was für eine Sendung haben Sie denn?«
»Es war nur ein Fünf-Minuten-Auftritt. Eine ganz kleine Rolle. Ich habe eine Leiche gespielt.«
Das Lächeln verblasste ein wenig, während der Richter sich bemühte, Mallory den angemessenen Platz in seinem Weltbild zuzuordnen, wurde dann aber eiligst wieder aktiviert. »Machen Sie sich nichts draus. Wie heißt es so schön: Kleine Rollen gibt es nicht. Das ist meine Frau. Kleine Rollen gibt es nicht«, wiederholte der Richter. »Stimmt doch, Pansy?«
Die nervöse kleine Person, die dem Richter nicht von der Seite wich, nickte gehorsam. Das Lächeln kam zu schnell und passte nicht zu dem Ausdruck ihrer Augen. Tatsächlich, unter dem dicken Make-up zeichnete sich ein Bluterguss ab. »Haben Sie Kinder, Miss Mallory?«, fragte sie.
»Nur Mallory. Nein. Und Sie?«
»Wir haben nur unsere süße kleine Rosie. Sie fehlt mir schrecklich, ich darf gar nicht an sie denken, sonst kommen mir die Tränen. Rosie kann Händchen geben, das hat Emery ihr beigebracht. Sie ist so gescheit. Und Bittebitte machen kann sie auch.«
»Rosie ist ein Hund«, erläuterte Betty Hyde, als sie mit der Bemerkung, sie müssten noch weitere Gäste begrüßen, weitergegangen waren.
»Danke bestens, aber so viel hatte ich mir auch schon gedacht«, sagte Mallory.
»So, und jetzt mache ich Sie mit unserem hauseigenen Pulitzerpreisträger bekannt.« Betty Hyde blieb an einem Bücherregal stehen und griff sich eine dunkle Brille und einen Stock. »Ich möchte ihm gern eine faire Chance geben, sich zu verziehen, ehe Angel wieder über ihn herfällt.«
»Warum gibt er ihr nicht einfach eins auf die Nase?«
»Weil er gut erzogen ist. So was kann manchmal recht lästig sein. Ein interessanter Mann und eine meiner besten Quellen. In Erics Gegenwart reden die
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