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Der Mann, der die Frauen belog - Roman

Titel: Der Mann, der die Frauen belog - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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meine Eltern warten?«
    »Ja, sicher. Ich dachte nur, es macht dir vielleicht Spaß, mich zu begleiten. Ich suche eine alte Schallplatte meines Onkels, das war der Zauberer Maximilian Candle. Schon mal gehört? Nein? Kein Wunder, sein letzter Auftritt liegt auch schon lange zurück. Du hast mir noch nicht verraten, ob du dich für Zauberei interessierst.«
    Charles schloss die Kellertür auf, tastete nach der Taschenlampe, die auf dem Sicherungskasten lag, und knipste sie an.
    Ihr Weg führte durch eine Schlucht von Kisten und Kästen, alten Möbeln und Bilderrahmen. Der Lichtkegel der Taschenlampe fiel auf verhüllten Hausrat, geisterhaftes Gerümpel, Hand- und Kabinenkoffer und Pappkartons.
    Dann standen sie vor einer Faltwand, die sich über die ganze Länge des Kellerraums erstreckte. Charles steckte auch hier einen Schlüssel ins Schloss, und die ganze Wand zog sich lautlos zusammen wie der Balg einer Riesenziehharmonika.
    In den tiefen Raum dahinter fiel mattes Licht aus einem breiten, in großer Höhe in die Kellerwand eingelassenen Fenster. Das Gitter davor hatte Mallory anbringen lassen. Auch die einbruchssicheren Schlösser waren auf ihr Betreiben hin eingebaut worden. Am liebsten hätte sie sämtliche Fenster vergittern lassen. Charles hatte ihr nur mit Mühe verständlich machen können, dass er lieber einen Einbruch in Kauf nahm, als im eigenen Haus wie ein Gefangener zu leben.
    Jetzt streifte der Lichtkegel Samt- und Seidenstoffe in Plastikhüllen. Strass und Pailletten funkelten durch die verstaubten Kleidersäcke in einem Garderobenkoffer. Ein Teil des Raums war durch einen hohen Wandschirm aus Reispapier abgeteilt, auf dem ein feuerspeiender Drache prangte. In robusten Regalen lagen Masken, Zylinder, überdimensionale Spielkarten, verschnörkelte Kästchen und Köfferchen mit Zauberutensilien.
    Wenn der Junge tatsächlich Bleistifte zum Fliegen brachte, fand er hier vielleicht einen Hinweis auf seinen künftigen Beruf. Ein bisschen mehr Magie konnte der Welt nicht schaden. »Gleich wird’s heller.« Charles tippte eine gläserne Kugel an, in der ein gespenstisch pulsierendes, scheinbar leise atmendes Licht erwachte.
    Als er sich zu dem Jungen umwandte, sah er, dass der anderweitig beschäftigt war. »Ach, du hast Onkel Max gefunden …«
    »Guten Tag«, sagte der Junge zu dem Wachskopf auf dem Garderobenkoffer und warf Charles einen prüfenden Blick zu. »Der sieht Ihnen ja ähnlich!«
    »Schön wär’s! Er ist gestorben, als ich etwa so alt war wie du.« Charles nahm den Kopf in die Hand, der ihn – genau wie Onkel Max zu seinen Lebzeiten – mit einem erstaunlich lebendigen und leicht erstaunten Ausdruck betrachtete.
    »Onkel Max hat meine Kindheit gerettet.«
    »Wieso?«
    »Durch seine Magie. Er war ein wunderbarer Zauberer. Der größte Magier aber, den es je gab, war Malachai. Er trat mit einer Toten auf.«
    »Wer’s glaubt, wird selig …«
    »Nein, im Ernst. Sie hieß Louisa und ist schon mit neunzehn gestorben. Sie gehörte zu den Menschen mit außergewöhnlichen Talenten, die –«
    »Meinen Sie Louisa Malachai? Die Louisas Concerto geschrieben hat?«
    »Du hast in der Schule offenbar gut aufgepasst …«
    »Nein, gar nicht. In der Tanner School schalte ich meist auf Durchzug, die bringen einem sonst doch nur Blödsinn bei. Meine erste Stiefmutter hat Louisas Concerto gespielt. Haben Sie die gekannt? Louisa, meine ich.«
    »Ja und nein.«
    »Warum hat sie das Stück nach sich benannt? Weil es so was wie ein musikalisches Selbstporträt war?«
    »Der Gedanke liegt nahe, Justin, aber der Titel stammt von Malachai. Du kennst es also?«
    »Nicht so richtig. Ich hab die Platte nur einmal gespielt, da war meine Stiefmutter schon tot. Eine Schellackscheibe, die man nur auf diesen vorsintflutlichen Grammophonen abspielen kann. Inzwischen gibt’s das alles ja auch auf CD. Meine Stiefmutter – das war die, die sich umgebracht hat – war ganz verrückt nach dem Stück, es lief unentwegt bei ihr.«
    »Hat es dir gefallen?«
    »Ich hab’s nie ganz gehört. Sie hat es immer nur gespielt, wenn sie allein war. Oder Kopfhörer aufhatte. Es ist ein gespenstisches Stück, hat sie immer gesagt. Als wenn’s darin spukt. Bescheuert, nicht? Als sie tot war, hab ich die Platte dann mal aufgelegt, aber dann kam Dad dazu und hat sie in tausend Stücke geschlagen. Echt. Ich bin natürlich gleich geflitzt, und wie ich mich noch mal umdreh, seh ich, wie er auf die Scherben eindrischt und gar nicht wieder

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