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Der Mann, der die Frauen belog - Roman

Titel: Der Mann, der die Frauen belog - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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abgegriffen und praktisch unleserlich, aber irgendwo im Keller musste es eine alte 78er Schellackplatte geben und ein Grammophon, mit dem sich derlei Museumsstücke noch abspielen ließen.
    Wenn aber Amanda Bosch ein Phantasieprodukt werden sollte, war es vielleicht am besten, auch die Musik zunächst nur in der Phantasie nachzuvollziehen. Schließlich hatte er sie ja oft genug gehört.
    Jetzt hatte er alles, was Malachai für seinen Wahn gebraucht hatte: Die Musik. Das Parfüm. Die Einsamkeit.
    Er zündete eine von Rikers Zigaretten an und legte sie in den Aschenbecher. Dann konzentrierte er sich auf Amandas Gesicht, wie er es sich vorhin in Mallorys Büro zusammengesetzt hatte.
    Es war nur zweidimensional – er war schließlich kein Malachai –, aber selbst diese reduzierte Wiedergabe war faszinierend. Die Augen sprachen von Geheimnis und schmerzlichem Verlust.
    An seinem siebenten Geburtstag hatte er Louisas Concerto, die Einführung zu Malachais Auftritt mit der toten Louisa, zum ersten Mal mitbekommen. Onkel Max hatte ihn mitgenommen, es war sein Geburtstagsgeschenk für den Neffen gewesen.
    Im matten Schein der flackernden Rampenlichter waren sie zu ihren Plätzen gegangen. In dem Moment, in dem sie auf den roten Samtsesseln Platz nahmen, hob der Dirigent den Stab.
    Das Stück zog schon mit den ersten mächtig aufbrausenden Akkorden alle in seinen Bann. Der kleine Charles hatte sich von der Musik forttragen lassen, die kraftvoll und unheimlich war, dann ruhiger wurde, sich in Echos verlor, die wie menschenleere Korridore waren, noch einmal zu einem leidenschaftlichen Crescendo anschwoll, dann leiser wurde und so jäh verstummte, dass die Zuhörer tiefe Bangigkeit ergriff. In dieser Leere versuchte jeder für sich die beängstigende, die unerträgliche Leere mit Tönen – und sei es auch nur gedachten Tönen – auszufüllen.
    Und dann setzte die Musik wieder ein. Durch den Saal ging ein tiefes, erlöstes Aufatmen. Die Zuhörer fühlten sich wie gereinigt, obgleich sie nicht durch Feuer oder Wasser, sondern nur durch ein gewaltiges Vakuum gegangen waren.
    Der Vorhang hob sich, und zu den Klängen des gleichen Stückes ließ Malachai auf der Bühne seine Louisa neu erstehen.
    Er schickte sie hinaus ins Publikum. Hier und da hörte man ein erschrockenes Luftschnappen, wenn jemand meinte, Louisa habe ihn berührt. Blumenduft wehte durch den Raum und verging.
    In jener magischen Leere, die alle Zuhörer dazu zwang, sich ihre eigenen Töne zu denken, hatte der siebenjährige Charles den Schrei einer Frau gehört.
    Längst hatte sich der Saal geleert. Nur der besorgte Inspizient war noch da und in der ersten Reihe Onkel Max, der einem verstörten kleinen Jungen die Hand hielt.
    Die besten Kompositionen, hatte Max einmal zu Charles gesagt, seien diejenigen, die sich an den natürlichen Rhythmus des Herzens hielten.
    Louisas Concerto gehörte zu diesen Stücken.
    Die Grundstrukturen waren Charles inzwischen wieder gegenwärtig; jetzt versuchte er, sich auch die Einzelheiten wieder ins Gedächtnis zu rufen. Er hätte nicht sagen können, wie lange er so saß – eine Stunde? vier Stunden? –, bis er das ganze Stück, Note für Note, wieder so hören konnte, wie er es an jenem ersten Abend gehört hatte. Und in jener beklemmenden, genialen Generalpause hörte er auch jetzt wieder den Schrei einer Frau. Im Gegensatz zu damals aber war ihm nun jeder Laut recht – sogar ein Schrei! –, um das Vakuum der Einsamkeit zu füllen.
    Er zündete eine neue Zigarette an. Der Rauch waberte vor seinem Gesicht, ohne dass er ihn roch oder in den Augen spürte.
    Vielleicht hätte er den Goldflakon nicht aus dem Keller holen sollen. Auch Parfüm hat nur eine begrenzte Lebensdauer. Was ihm in die Nase stieg, war der Duft von Blüten, die schon lange vor Amandas Geburt verwelkt waren.
    In seinem Inneren klang die Musik noch nach – und dann war Amanda da. Sie war nur zweidimensional wie auf dem Foto, hatte aber trotzdem eine erstaunliche Ausstrahlung.
    Jetzt gab er – wie jemand, der ein Gericht noch mit einem Hauch von Salz und Pfeffer würzt – ein wenig feuchten Glanz in die sanften blauen Augen, goldene Funken in das blonde Haar.
    Fertig.
    Er beugte sich vor. »Amanda?«
    Das zweidimensionale Bild neigte bestätigend den Kopf.
    »Warum hat man dich umgebracht, Amanda?«
    Sie antwortete mit Mallorys Stimme, aus der Charles alle Schärfe, alles Sarkastische getilgt hatte. »Er hat mich belogen.«
    Der weiche Mund öffnete und

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