Der Mann, der die Frauen belog - Roman
Missbrauch? Eine Kindesaussetzung? Flucht aus dem Elternhaus?«
Coffey registrierte voller Unbehagen, dass Hafner von Mallory fasziniert war und jede ihrer Regungen belauerte.
Der Psychologe rückte wieder an seiner Brille. »Das Säuberungsritual kann mit zwanghafter Pünktlichkeit einhergehen.«
Coffey beugte sich vor. Pünktlichkeit? Wie kam die Pfeife denn auf so was?
Womöglich kannte er Mallorys Computerraum – oder auch anderes. Vielleicht hatte er sich das psychologische Gutachten geben lassen, das routinemäßig erstellt wird, wenn ein Cop bei einem Einsatz Gebrauch von der Dienstwaffe gemacht hat. Es ging ihm also gar nicht um die Verdächtigen. Dieser linke Typ bildete sich doch tatsächlich ein, er könnte mit Mallory Katz und Maus spielen.
Coffey sah Mallory an und erkannte, dass sie Hafner längst durchschaut hatte. Beruhigt lehnte er sich zurück. Dem Mann war nicht mehr zu helfen. Er nickte ihr fast unmerklich zu.
Fass ihn, Mallory!
»Ich würde dringend zu einer Brille raten«, sagte sie mit seidenweicher Stimme. In diesem Moment hätte man sie tatsächlich für eine brave Tochter aus gutem Hause halten können.
Und dann hatte sie plötzlich eine Kanone in der Hand – nicht ihre Dienstwaffe, sondern ein Ding, das sehr viel größere Löcher riss. Coffey stellte sich blind.
»Hören Sie her, Sie Trottel!« Mallory rückte mit ihrem Stuhl näher an Hafner heran. Kein Zweifel, sie betrachtete ihn als zum Abschuss freigegeben, und es versprach kein besonders appetitliches Unternehmen zu werden.
»Es handelt sich hier um eine spontane Tat«, sagte sie langsam und mit Nachdruck. »Die Tatwaffe war ein Stein. Diese Information liegt Ihnen vor.«
Sie tippte mit einem langen roten Fingernagel auf den Revolver und entriegelte die Trommel.
Hafner war zur Salzsäule erstarrt. Ein schwarzer Brummer summte um ihn herum. Er schien es nicht zu merken. Die Brille rutschte wieder. Er ließ sie rutschen.
»Der Mörder war nicht bewaffnet, als er zum Tatort kam«, sagte Mallory. Ihre Stimme blieb unerschütterlich sanft, die todbringende Waffe lag ruhig in ihrer Hand. »Er hat Amanda Bosch nicht umbringen wollen, und als es dann passiert war, hat er die Nerven verloren und ist getürmt. Erst nach über einer halben Stunde hatte er sich halbwegs wieder im Griff. Hätten Sie den Bericht des Pathologen gelesen, wüssten Sie das.«
Sie ließ die Kugeln in ihren Schoß fallen, legte eine wieder in die Trommel ein und ließ sie einschnappen.
Die Fliege landete auf Hafners Wange. Er rührte sich nicht.
Sie lächelte.
Coffey fand Hafners neue Rolle als Mallorys Maus äußerst spannend.
Die Fliege startete erneut und landete an der Wand neben Hafners Kopf.
»Ich schätze, der Mann ist eher Ihr Typ, Hafner. Ganz Herr der Lage, wenn alles reibungslos läuft, voll in Panik, wenn was danebengeht. Wie in dem Moment, als er mit dem Stein zuschlug.«
Mallory zielte über Hafners Nasenrücken hinweg auf die Fliege, die an der Wand hochkrabbelte, und drückte ab.
Es hörte sich an wie ein Bombeneinschlag, und Hafner zuckte zusammen. Um den Schritt herum färbte sich seine Hose dunkel. Erst nach einigen Sekunden hatte er begriffen, dass er nicht getroffen war, sondern sich nur nassgemacht hatte.
Die Fliege war verschwunden.
Coffey starrte die leere Wand an und überlegte, ob sie weggeflogen oder vor Schreck einem Herzschlag erlegen war und jetzt als Leiche vor der Scheuerleiste lag.
Mallory ließ den Revolver einen Augenblick baumeln und legte ihn sich dann so in den Schoß, dass der Lauf auf den schwitzenden Mann an ihrer Seite zeigte.
Coffey hörte ihn atmen. Die Brille auf der glitschigen Nase rutschte immer weiter abwärts und landete schließlich auf dem Fußboden.
»Er hat sie nicht verfolgt«, fuhr Mallory fort. »Er kannte sie gut. Deshalb ist er noch einmal zurückgekommen, um ihr die Hände zu zerschlagen, damit wir ihre Fingerabdrücke nicht ermitteln konnten. Damit hatte er Zeit gewonnen und konnte in aller Ruhe in ihrer Wohnung jede Spur von sich beseitigen. Ein zwölfjähriger Hilfsschüler hätte sich das zusammenreimen können.«
Mallory beugte sich vor. Der Lauf war wie beiläufig auf Dr. Hafners Schritt gerichtet.
»Sie sind ein unfähiges Arschloch, Hafner.« Sie nickte langsam, und er nickte wie hypnotisiert mit. »Und Sie werden uns für diese Glanzleistung natürlich keine Rechnung schicken.« Sie schüttelte den Kopf, und auch dieser Bewegung folgte Hafner wie unter Zwang.
»Okay, Sie
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