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Der Mann, der Donnerstag war

Der Mann, der Donnerstag war

Titel: Der Mann, der Donnerstag war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Parteien, so gar nicht existierten – und ließ sich schließlich vermittelst einer schmiedeeisernen Laterne über die Mole hinabhauen? ...). Aber er war ein edelmütiger alter Edelmann, und als er zuletzt voll Freuden erleben sollte, daß keine der beiden Parteien etwas mit Dynamit zu tun hatte, sah er sie vom Landungssteg aus mit viel Heiterkeit abdampfen.
    Die fünf ausgesöhnten Detektivs hatten einander hundert Details zu erklären. Der Sekretär zum Beispiel Syme, wie sie dazu gekommen wären, Masken aufzusetzen – nämlich nur, um dem vermeintlichen Feind als Mitverschwörer sich nähern zu können. Syme hingegen hatte zu explizieren, wieso sie mit solcher Windeseile durch ein zivilisiertes Land geflohen wären. Aber über all diesen Einzelheiten, die leicht auszulegen waren, türmte sich berghoch eine Sache, die sie nie und nimmer begriffen. Was bedeutete alles miteinander? Wenn sie sämtlich harmlose Schutzleute waren, wer war Sonntag? Wenn er die Welt nicht erstürmt hatte, mit wem in aller Welt wollte ers denn dann aufnehmen? Inspektor Ratcliffe war darum immer noch niedergeschlagen. »Ich kann aus all den Plänen dieses alten Sonntag ebensowenig klug werden wie ihr«, sagte er. »Aber mag er sonst sein was er will, so 'n ganz unbescholtener Zivilist ist er nicht. Donnerwetter noch eins! Könnt ihr euch an seine Visage erinnern?«
    »Ich will Ihnen sogar zugeben«, antwortete Syme, »daß ich niemals imstande sein werde, mich ihrer nicht mehr zu erinnern.«
    »Nun denn«, meinte der Sekretär, »ich meine, daß wir das alles bald haben werden. Morgen haben wir doch wieder Versammlung ... Entschuldigen Sie, bitte«, sprach er und lächelte sein entsetzliches Lächeln, »daß mir meine Sekretärobliegenheiten so in Fleisch und Blut übergegangen sind!«
    »Kann sein, daß Sie recht haben«, sprach der Professor nachdenklich. »Wir werden das bald alles sozusagen direkt vom Faß haben. Allerdings muß ich gestehen, daß es mir ein klein wenig eigen zumute sein dürfte, Sonntag geradaus zu fragen, wer er eigentlich ist.«
    »Wieso?« fragte der Sekretär. »Aus Angst vor Bomben?«
    »Nein«, meinte der Professor, »aus Angst, daß. er mirs dann geradaus sagen möchte.«
    »Wir wollen etwas zu trinken haben!« proponierte Dr. Bull nach einem Schweigen.
    Diese ganze Tagereise zu Wasser und dann zu Lande waren sie höchst guter Dinge – hielten sich aber instinktiv alleweil zusammen. Dr. Bull, der stets der Optimist von der Partie gewesen war, tat sein möglichstes, die andern vier zu überzeugen, daß die ganze Gesellschaft von Victoria ab ein zweiräderiges Kabriolett nehmen könnte. Was indes als durchaus unangängig verworfen wurde; und man fuhr dann doch lieber in einem vierräderigen Fahrzeug – mit dem Dr. Bull, der laut sang, auf dem Kutschbock. Und die Reise endigte bei einem kleinen Hotel am Piccadilly-Zirkus, auf daß man es zu dem frühzeitigen Frühstück auf dem Leicester Square so nahe wie möglich hätte. Doch damit sollten diese Abenteuer dieses Tages nicht zu Ende sein. Dr. Bull, über den sonst einmütigen Vorschlag, zu Bett zu gehen, äußerst ungehalten, war gegen elf aus dem Hotel hinaus, um einige Schönheiten von London bei Nacht zu erleben und zu kosten. Zwanzig Minuten später indes war er wieder da und machte in der Vorhalle einen wahnsinnigen Skandal. Syme, der ihn erst zu besänftigen versuchte, mußte mit einemmal aufhorchen –
    »Und wenn ich Ihnen sage, daß ich ihn gesehen habe!« sprach Dr. Bull mit gewaltiger Emphase. »Wen?« fuhrs Syme heraus. »Doch nicht den Präsidenten?«
    »Sagen wir die Hälfte«, sprach Dr. Bull und lachte ganz unnötig auf, »oder noch nicht einmal die Hälfte! Ich bringe ihn übrigens angeschleppt – –«
    »Jesus! Wen denn angeschleppt?« fragte Syme, sehr ungeduldig.
    »Den Haarmenschen!« sprach der andere und strahlte. »Der sich für so nen Haarigen ausgab – Gogol! Da ist er –« und er bugsierte einen jungen Menschen vor sich her, der sich auf alle Arten sträubte und widersetzte – denselbigen jungen Mann, der vor fünf Tagen mit dünnem roten Haar und ganz blassen Angesichts zum Tempel des Hohen Rats hinausspazierte, der erste von allen Scheinanarchisten, so demaskiert worden war.
    »Was wollen Sie denn mit mir noch? So lassen Sie mich doch laufen –« schrie der. »Sie haben mich doch längst als Spitzel zum Teufel gejagt!«
    »Wir sind alle miteinander bloß Spitzel!« flüsterte ihm Syme zu.
    »Haja! Wir sind alle

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