Der Mann, der ins KZ einbrach
warfen uns zu Boden, aber das Kreischen der Propellermotoren wurde schon bald zu einem fernen Dröhnen. Sie hatten zwar nichts getroffen, aber irgendjemand wusste, dass wir hier waren. In Anbetracht der Tatsache, dass wir die Gewaltfahrt nur auf uns genommen hatten, um die Italiener zu überraschen, war das sehr beunruhigend.
Am frühen Nachmittag, gegen 14 Uhr, erreichten wir in der Nähe der heruntergekommenen Ansiedlung Beda Fomm die Straße. In gut anderthalb Tagen hatten wir zweihundertsechzig Kilometer durch ein Gelände zurückgelegt, wie es selbst in der Wüste unwegsamer kaum sein konnte. Und nicht nur das – wir sahen nichts, was von Norden gekommen wäre. Wir waren vor den Italienern eingetroffen, aber nur ganz knapp, wie sich herausstellte.
Die Straße durchschnitt sandigen Boden mit niedrigen Erhebungen, die von Norden nach Süden verliefen. Das Meer und die Küstendünen lagen drei Kilometer westlich von uns. Wir mühten uns ab, die Geschütze auf beiden Seiten der Straße in Stellung zu bringen. Captain Tom Pearson führte das Kommando und legte ein Minenfeld an. Uns blieb kaum genügend Zeit, um uns einzugraben, als der Feind sich auch schon zeigte.
Man muss sich einmal ausmalen, wie die Italiener sich fühlten, als sie uns sahen. Sie hatten geglaubt, wenigstens hundertsechzig Kilometer von den nächsten Feindverbänden entfernt zu sein, und sie waren überzeugt, dass die Fahrzeuge, die sie vor sich sahen, zu den eigenen Truppen gehörten – bis unsere Artillerie das Feuer eröffnete. Der Schock war verheerend. Sie flohen von der Straße und versuchten, in Deckung zu kommen. Dann begann der Kampf. Sie waren uns zahlenmäßig weit überlegen, aber zum Glück wussten sie das nicht. Sie führten mehrere wilde Sturmangriffe, die wir jedes Mal zurückschlugen, doch immer wieder rückten über die Straße frische italienische Kräfte heran.
Am späten Nachmittag schlossen unsere Panzer zu uns auf und griffen die lange italienische Kolonne in der Mitte an, nördlich von uns. Als die Dunkelheit hereinbrach, sah man brennende italienische Fahrzeuge, wohin man auch blickte, und wir hatten bereits tausend Gefangene gemacht. Und immer noch trafen Italiener ein. Wir wussten noch nicht, dass »Electric Whiskers« in der Kolonne war und den Befehl erhalten hatte, aus der Falle auszubrechen. Es hätte ihm gelingen müssen, denn das Terrain war alles andere als ideal für eine solch unausgeglichene Schlacht, bei der sich auf beiden Seiten unserer Straßensperre flaches Gelände ausbreitete. Unsere Befehle waren eindeutig: Den Italienern durfte nicht gestattet werden, zwischen Straße und Meer durchzubrechen.
Captain Pearson war einer unserer besten Offiziere. Er wusste, dass wir den Italienern vorgaukeln mussten, wir wären viel zahlreicher, sonst würden sie einfach zwischen uns hindurchfahren. Am Abend entschied er, die italienische Kolonne zusätzlich in der Flanke zu stören.
Mike Mosley nahm zwei Züge mit, darunter meinen, sowie eine kleine Abteilung Artillerie. Ich war erleichtert, unter Mosleys Führung in den Kampf zu ziehen. Er war ein rätselhafter Mann, der einzige Sohn eines Bischofs. Er hatte eine kirchliche Laufbahn einschlagen wollen, bis ihm der Krieg dazwischenkam. Mosley war von Natur aus neugierig und ein ausgezeichneter Soldat, der in der Schlacht keine Furcht zeigte. Nachdem ich ihm im Carrier einen Schreck eingejagt hatte, war ich der Meinung, dass wir quitt waren. Ich traute ihm genauso wie jedem anderen Offizier. In dieser Nacht sollte er sich das Military Cross verdienen.
Ich arretierte den Seitengriff des Bren- MG , überprüfte das gekrümmte Magazin und stieg auf den nächstbesten Lkw. Mosley kletterte hinter mir auf die Ladefläche, zog den Revolver, schlug damit auf das Dach des Führerhauses, und ab ging es in die Dunkelheit.
Es muss gegen Mitternacht gewesen sein, als das Geräusch fremder Motoren uns verriet, dass eine weitere Kolonne sich von Norden näherte. Mittlerweile war ich an die Dunkelheit gewöhnt, sodass ich die Umrisse von Lkw, Panzern und schweren Geschützen in ungefähr zweihundertfünfzig Metern Entfernung ausmachte. Es waren wenigstens zweihundert Fahrzeuge im Anmarsch; die Kolonne erstreckte sich weit die Straße entlang. Wir waren bei weitem nicht stark genug, um sie aufzuhalten, deshalb griffen wir zu einer List.
Ich zielte mit dem Bren- MG niedrig, weil der Rückstoß den Lauf stets nach oben zog, sodass die Mündung über das Ziel zeigte. Man musste
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