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Der Mann, der ins KZ einbrach

Der Mann, der ins KZ einbrach

Titel: Der Mann, der ins KZ einbrach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Broomby Denis Avey
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ihnen im Weg gewesen wären. Lächerlich. Immerhin besaß er den Anstand zuzugeben, dass zu seiner Niederlage auch »die ausgezeichnete Schießkunst der Rifle Brigade« beigetragen hatte, wie er sich ausdrückte.
    Was man nach dem Gefecht auf einem Schlachtfeld alles findet, ist erstaunlich. Ich stieß auf eine reichhaltige Sammlung von Hüten mit Kokarden und Federbüschen. Die Generale brauchten sie nicht mehr, also behielt ich einen. Dann fand ich ein sehr schön gefertigtes Chirurgenbesteck in einem Etui aus handgenähtem Leder. An den Skalpellklingen haftete noch getrocknetes Blut. Ich interessierte mich allerdings mehr für Wasser. Die Rationen waren nicht viel größer geworden, und ich hatte schrecklichen Durst.
    Eine weitgehend intakte Gruppe von Lkw zog bald meinen Blick auf sich. Die Wagen waren mit Hunderten von Holzkisten beladen, jede ungefähr sechzig Zentimeter im Geviert und etwa zwanzig Zentimeter hoch. Die Vorstellung, dass die Kisten Getränke oder Essen enthalten könnten, beflügelte meine Kräfte. Ein Kamerad war bei mir. Wir sprangen auf den ersten Laster. »Nun mach schon«, sagte ich, »geh mit dem Schwert ran.«
    Er schlug mit dem Bajonett ein Loch in das Sperrholz, und meine Hoffnungen wurden bitter enttäuscht. In den Kisten lagen keine Flaschen oder Dosen, sondern bedrucktes Papier. Mein Kamerad hebelte den Deckel ab. »Du lieber Himmel, sieh dir das an«, sagte ich. Die Kiste war randvoll mit Abertausenden druckfrischer italienischer Banknoten.
    In der zweiten Kiste fanden wir das Gleiche, und in allen anderen auch. Die Lastwagen gehörten zum Zahlmeisterkorps des italienischen Heeres und enthielten genügend Geld, um die gesamte Armee zu bezahlen, aber für uns waren die Abermillionen Lire völlig wertlos. Später erfuhr ich, dass man sie in Kairo zu einem Kurs von sechshundert Lire pro Pfund Sterling eintauschen konnte, aber im Augenblick hätte ich das ganze Vermögen für ein paar Flaschen Trinkwasser und eine anständige Mahlzeit hergegeben.
    Ich meldete den Geldfund, und das war es. Wir warfen zwei Geldkisten in unseren Laster und dachten nicht mehr daran. Ein paar Jungs benutzten italienische Banknoten, um sich ihre Kippen anzustecken, und nahmen sie bündelweise mit in die Wüste, um sich damit den Hintern abzuwischen, was sie schrecklich komisch fanden. Wahrscheinlich bekam man in Kairo für solche Geldscheine keinen ganz so guten Wechselkurs. Mit dem Reis und dem Tomatenpüree, das wir später fanden, wussten wir mehr anzufangen. Daran konnten wir uns wenigstens satt essen.
    Tagelang warteten wir auf Ablösung durch eine andere Kolonne, die von Norden kommen sollte. Schließlich erhielten wir Befehl, in Richtung Bengasi zu fahren und zu versuchen, unterwegs mit dem Entsatz Fühlung aufzunehmen. Als wir losfuhren, lagen die Geldkisten noch immer in unserem Laster.
    Auf der gut hundert Kilometer langen Fahrt rief uns von Zeit zu Zeit ein Blick aufs Meer ins Gedächtnis, dass nicht die ganze Welt aus Sand bestand. In den Außenbezirken von Bengasi staute sich der Verkehr, und unsere Lkw standen. Plötzlich übertönte eine Schussdetonation den Lärm der Motoren und Hupen, der rasch ein zweiter Schuss und das Jaulen eines Querschlägers folgten. Irgendwo saß ein Heckenschütze. Ich riss den kleinen Laster herum, fuhr, bis die Straßen ruhiger wurden, und hielt vor einer Bar, die gehobener Klasse zu sein schien.
    Ich war damals nicht versessen auf das Saufen. Der Alkohol war mir ziemlich schnuppe, aber mit völlig ausgetrockneter Kehle fiel die Entscheidung nicht schwer. Wir schnappten uns eine Kiste mit Lire, gingen hinein und betraten das schönste Lokal, das ich seit Kairo gesehen hatte, einen kühlen, luftigen Raum, wenigstens dreißig Meter lang und zehn Meter breit. Wände und Decke waren mit kunstvoll gravierten Spiegeln bedeckt. An einer Seite zog sich eine lange Marmortheke hin, an der wildes Gedränge herrschte.
    Eine der wenigen anwesenden Frauen schrie unterdrückt auf, als sie mich und meine vier Kameraden sah. Die anderen Gäste schnappten nach Luft. Alles beobachtete uns verängstigt. Ich brauchte nur einen Blick in die Spiegelwand zu werfen und sah den Grund dafür: Wir waren Wüstendesperados, schmutzig und in fleckigen Uniformen, und machten den Eindruck, als würden wir im nächsten Moment alles und jeden über den Haufen schießen.
    Wir hielten uns nicht lange auf. Zwei der Jungs gingen sofort nach hinten und suchten die Küche und die Hinterzimmer nach

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